Absonderungsrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen Hausgeldansprüchen in der Insolvenz des Wohnungseigentümers

    • Mietrecht
    • Wohnungseigentumsrecht

BGH, Urteil vom 21.07.2011, IX ZR 120/10

In der Insolvenz eines Wohnungseigentümers ist die Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt, wegen der Hausgeldansprüche, die durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG im Zwangsversteigerungsverfahren bevorrechtigt werden, ein Absonderungsrecht geltend zu machen. Eine vorherige Beschlagnahme ist nicht notwendig.

Sachverhalt

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte gegen eine Eigentümerin Ansprüche auf Zahlung von Hausgeld. Über das Vermögen der Wohnungseigentümerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin nahm die Wohnungseigentümergemeinschaft den Insolvenzverwalter auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohneigentum der Schuldnerin in Anspruch. Sowohl durch das Amtsgericht als auch durch das Landgericht wurde der Insolvenzverwalter zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt. Hiergegen wendete er sich mit der Revision zum Bundesgerichtshof.

Hintergrund

Wohngeldforderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind, sind einfache Insolvenzforderungen gemäß § 38 Insolvenzordnung. Das bedeutet, sie sind grundsätzlich beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden. Insofern eine ausreichende Insolvenzmasse zur Verfügung steht, werden sie neben sämtlichen weiteren Insolvenzforderungen durch den Insolvenzverwalter (quotal) bedient.

Wegen Insolvenzforderungen darf der Schuldner nicht mehr verklagt werden. Eine Klage gegen den Insolvenzverwalter ist nur dann zulässig, wenn dieser die Feststellung der Forderung zur Tabelle verweigert hat. In diesem Fall kann auf Feststellung der Forderung geklagt werden.

Wohngeldansprüche, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werden, sind Masseschulden gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 2 Insolvenzordnung. Wegen dieser Forderungen darf der Insolvenzverwalter auf Zahlung in Anspruch genommen und verklagt werden. Masseverbindlichkeiten sind in vollem Umfang vor Insolvenzforderungen zu begleichen.

§ 10 ZVG enthält Regelungen über die Rangfolge der Befriedigung von Forderungen im Zwangsversteigerungsverfahren. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG werden dabei u. a. Wohngeldansprüche aus dem Jahr der Beschlagnahme (Eröffnung des Zwangsversteigerungsverfahrens) und den letzten zwei Jahren davor begrenzt auf einen Betrag in Höhe von 5 % des Verkehrswertes in die Rangklasse 2 eingeordnet. Dies hat insbesondere die praktische Auswirkung, dass Wohngeldansprüche, welche die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG erfüllen, im Rang vor Grundpfandrechten der finanzierenden Kreditinstitute stehen.

§ 49 Insolvenzordnung billigt dem Grundpfandrechtsgläubiger eines Grundstückes, welches der Zwangsversteigerung unterliegt, ein Absonderungsrecht zu. Das bedeutet, der Grundpfandrechtsgläubiger ist berechtigt, seinen Anspruch auf Zwangsversteigerung des Grundstückes außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen.

Fraglich war nun, ob sich aus dem Vorrecht der Wohnungseigentümergemeinschaften gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG ergibt, dass ein solches Absonderungsrecht auch für Wohngeldansprüche besteht.

Die Entscheidung des BGH

Der Bundesgerichtshof nimmt ein Absonderungsrecht gemäß § 49 Insolvenzordnung für solche Wohngeldansprüche an, die einerseits die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG erfüllen und bei denen es sich um Insolvenzforderungen handelt. Ein Absonderungsrecht besteht nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes mithin,

  • wenn es sich um Wohngeldansprüche (auch Abrechnungsspitzen) handelt, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind (Beschluss!),
  • wenn die Wohngeldforderungen im Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den letzten beiden Jahren davor fällig geworden sind,
  • insoweit die Grenze von 5 % des nach § 74a Abs. 5 ZVG festzusetzenden Verkehrswertes nicht überschritten wird,
  • wenn die fälligen Wohngeldansprüche mindestens 3 % des Einheitswertes ausmachen (vgl. § 10 Abs. 3 ZVG i. V. m. 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG).

 

Anmerkungen

Diese Entscheidung muss man als Verwalter kennen.

Sie bietet der Wohnungseigentümergemeinschaft die Möglichkeit, im Falle der Insolvenz eines Miteigentümers Wohngeldforderungen schnell und außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen. Ein Titel ist nicht erforderlich (vgl. § 10 Abs. 3 ZVG).

Aus Sicht der Verwaltung ist jedoch besonderes Augenmerk darauf zu legen, wann die geltend zu machende Forderung fällig geworden ist. Hier kommt es im Zweifel auf den Beschluss an. Insbesondere ist zu beachten, dass Forderungen aus einer Jahresabrechnung erst mit dem Beschluss über die Einzel- und Gesamtjahresabrechnung fällig werden.

Im Miet- und Wohnungseigentumsrecht werden in Berlin immer unsere Fachanwälte Jan Hartmann und Tilo Krause tätig.

Jan Hartmann
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsgebiet
Mietrecht
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Wohnungseigentumsrecht