Altanschließer: Bundesverfassungsgericht hält rückwirkend erhobene Beiträge für verfassungswidrig!

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.11.2015, Az. 1 BVR 2961/14, 1 BVR 3051/14

Das Problem:

Die sogenannte Altanschließerproblematik steht möglicherweise vor einer endgültigen Lösung zugunsten der betroffenen Eigentümer.

Im Fokus der juristischen Auseinandersetzung steht insbesondere die Frage, ob sogenannte Altanschließer noch immer zur Zahlung von entsprechenden Beiträgen und Gebühren herangezogen werden können. Insbesondere war umstritten und auch in der Rechtsprechung bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob für Grundstücke, die vor 1990 bereits an die Entwässerungsanlagen angeschlossen waren, die sogenannte Festsetzungsverjährung eingetreten ist (Wir hatten bereits an gleicher Stelle hierüber berichtet).

Die Gemeinden und Abwasserverbände in Brandenburg hatten Eigentümer von Grundstücken, die bereits vor mehreren Jahrzehnten an das Abwassersystem angeschlossen waren, noch immer und teilweise basierend auf rückwirkende Abwassersatzungen, per Bescheid zur Zahlung von Abwassergebühren herangezogen.

Zwischenzeitlich wurde sogar das Kommunalabgabengesetz (KAG BB) geändert. Zuletzt wurde eine Maximalfrist gesetzlich eingeführt, nach deren Ablauf die Festsetzungsverjährung endgültig und spätestens eintreten sollte (zum 31.12.2015).

Die Entscheidung des BVerfG

Nunmehr liegt ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vor, mit welchem zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg bezüglich der nachträglichen Festsetzung von Altanschließerbeiträgen aufgehoben und an das OVG zurückverwiesen worden sind (BVerfG, 1 BVR 2961/14, 1 BVR 3051/14).

Das Gericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass durch die in dem konkreten Fall infrage stehenden Abwassersatzungen eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung geregelt worden sei. Für den Beginn der sogenannten Festsetzungsverjährung komme es nach Auffassung des BVerfG allein darauf an, ob eine formell wirksame Satzung aufgestellt war. Hingegen sei nicht entscheidend – anders als in Brandenburg jahrelang praktiziert – dass diese Satzung auch materiell wirksam sein müsse, um den Lauf der Verjährung in Gang zu setzen. Da in den konkreten Fällen schon vor längerer Zeit formell wirksame Satzungen bestanden, waren die Beitragsforderungen nach Auffassung des BVerfG verjährt und konnten nicht mehr durch später aufgestellte und rückwirkend geltende neue Satzungen erhoben werden.

Damit hat das Bundesverfassungsgericht einen jahrzehntelangen Streit im Sinne der Eigentümer von altangeschlossenen Grundstücken geklärt. Diese Entscheidung ist vollumfänglich zu begrüßen – sie schafft endlich die nötige Klarheit und Rechtssicherheit bzgl. der Berechnung der Verjährung kommunaler Abgabenforderungen.

Ob und inwieweit diese Rechtsprechung allerdings tatsächlich für alle noch streitgegenständlichen und im Widerspruchsverfahren oder bei Gericht anhängigen Prozesse zu berücksichtigen ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Insofern bleibt auch abzuwarten, ob und inwieweit die betroffenen Gemeinden nach Prüfung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts reagieren. Möglicherweise werden die infrage stehenden Bescheide von sich aus von den Gemeinden aufgehoben. Dies würde allerdings Rückzahlungen in einem erheblichen Volumen bedeuten. Denkbar ist daher leider auch, dass die Gemeinden tatsächlich von Fall zu Fall das Ergebnis gerichtlicher Verfahren abwarten.

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