Aktuell werden in Brandenburg, insbesondere in Panketal, aber auch in weiteren Gemeinden und Städten des Landkreises Barnim, u. a. in Bernau, Abwassergebührenbescheide an Grundstückseigentümer verschickt, mit denen Beiträge in teilweise erheblicher Höhe für die Abwasserentsorgung erhoben werden. In Panketal wird als Rechtsgrundlage eine zum Ende Oktober in Kraft getretene Beitragssatzung für Schmutzwasserentsorgung des Eigenbetriebes Panketal benannt.
Das Problem
Betroffen sind insbesondere sog. Altanschließer, insbesondere in Panketal, Bernau und weiteren Städten im Landkreis Barnim. Hierunter werden Eigentümer verstanden, die bereits vor der Wende, also vor dem Stichtag zum 03.10.1990 - meist lange vor diesem Datum -, mit ihrem Grundstück an die öffentliche Entwässerung angeschlossen waren.
Diese sog. Altanschließerproblematik und damit die Frage, ob überhaupt und wenn ja, zu welchen Konditionen, betroffene Eigentümer nach Jahrzehnten noch zur Zahlung der Beiträge herangezogen werden können, beschäftigt seit geraumer Zeit die Gerichte und Anwälte. Nach wie vor ist aber sowohl in der Rechtsprechung als auch in der einschlägigen Literatur strittig, ob die Beiträge überhaupt noch verlangt werden können oder ob inzwischen die sog. Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Unterschiedliche Auffassungen bestehen auch zu der Frage, ob die einschlägigen Regelungen im Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG BB) gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen und schon deshalb verfassungswidrig sind.
Anlass der Problematik war ursprünglich eine Regelung im Kommunalabgabengesetz Brandenburg und deren Auslegung durch das OVG Frankfurt/Oder: Denn bis Ende 2003 war der Beginn der Festsetzungsverjährung an das Entstehen der Beitragspflicht geknüpft. Die Beitragspflicht wiederum sollte spätestens mit dem Inkrafttreten einer Beitragssatzung entstehen, selbst wenn der Anschluss an das Abwassersystem schon längst erfolgt war.
Das OVG Frankfurt/Oder hat insoweit die Auffassung vertreten, dass die Festsetzungsverjährung schon mit dem formellen Satzungsbeschluss begonnen hat, ohne dass es darauf ankommen sollte, ob die fragliche Satzung wirksam oder unwirksam sei. Diese Rechtslage galt bis zum Jahr 2004. Denn die Landesregierung hat die Rechtsprechung des OVG Frankfurt/Oder zum Anlass genommen, für eine Änderung im KAG BB zu sorgen. Seitdem ist es für das Entstehen der Beitragspflicht und damit auch für den Beginn der Festsetzungsverjährung Voraussetzung, dass eine Gemeinde eine rechtswirksame Beitragssatzung erlassen hat; der bloße Satzungsbeschluss einer Gemeinde genügt also nicht mehr.
Aufgrund dieser geänderten Gesetzeslage im KAG BB werden seitdem und im Übrigen bis zum heutigen Tag immer wieder Altanlieger in Anspruch genommen, deren Beitragspflicht unter Anwendung der Rechtsprechung des OVG Frankfurt/Oder schon verjährt gewesen sein dürfte. Beitragsbescheide erhalten aber auch Eigentümer, deren Beitragspflicht selbst nach der Änderung des KAG BB im Jahre 2004 inzwischen verjährt sein könnte.
Nach wie vor gibt es Stimmen, die der Auffassung sind, diese Regelung würde gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, da ein einmal verjährter Anspruch durch eine Gesetzesänderung nicht wieder aufleben könne. Zudem könne durchaus geltend gemacht werden, dass sich die betroffenen Altanschließer auf Vertrauensschutz berufen könnten. Ungeachtet dessen, gibt es weitere obergerichtliche Entscheidungen, die eben auch dies für zulässig erachten. Die Rechtslage ist nach wie vor also alles andere als eindeutig.
Was ist zu tun?
Im Einzelfall bedeutet dies für den jeweils betroffenen Eigentümer und Altanschließer in Panketal oder Bernau und anderen Städten des Landkreises Barnim, dass genau zu überprüfen ist, welche Satzungen zu welchem Zeitpunkt für ihn galten und mit welchen Voraussetzungen. Dabei sind immer auch die Auswirkungen des KAG BB in der jeweils geltenden Fassung zu berücksichtigen, wobei sodann noch zu beachten ist, ob die jeweiligen Satzungen wirksam oder unwirksam waren. Erschwert wird diese Prüfung noch dadurch, dass sich Ende 2006 der Abwasserverband Panke/Finow aufgelöst, die Gemeinde Panketal einen eigenständigen Eigenbetrieb hinsichtlich der Wasserversorgung gegründet und in dieser Funktion selbst weitere Satzungen erlassen hat.
Es sprechen jedoch gewichtige Gründe dafür, dass die aktuell versendeten Bescheide der Gemeinde Panketal und auch der angrenzenden Gemeinden bzw. der Stadt Bernau rechtswidrig sind, weil im Einzelfall die Festsetzungsverjährung eingetreten sein könnte und die Ermächtigungsgrundlage des KAG BB nach weiteren Stimmen in Rechtsprechung und Literatur möglicherweise verfassungswidrig ist. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hierzu liegt, soweit ersichtlich, allerdings noch nicht vor.
Ungeachtet dessen, gibt es weitere Gründe, die für eine Rechtswidrigkeit der Bescheide sprechen, und zwar unabhängig davon, ob eine Festsetzungsverjährung eingetreten ist oder Verfassungswidrigkeit vorliegt. So ist beispielsweise fraglich, ob die Bemessungsmaßstäbe korrekt angewandt, also die anrechenbaren Grundstücksflächen richtig angesetzt wurden und der Beitragsbescheid überhaupt ausreichend begründet worden ist. Zu prüfen wäre schließlich auch noch, ob die aktuelle Beitragssatzung, die als Rechtsgrundlage für die Beitragsbescheide dient, überhaupt formell und materiell rechtmäßig ist. Sollte dies nicht der Fall sein, wären auch die darauf basierenden Bescheide rechtswidrig.
Auch aus diesem Grund dürfte es sich empfehlen, gegen die Bescheide in jedem Fall Widerspruch einzulegen. Die bloße Widerspruchseinlegung befreit allerdings noch nicht von der Zahlungspflicht, da dieses Rechtsmittel – im Übrigen auch wie eine etwaige spätere Klage gegen einen Widerspruchsbescheid – keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Hierzu wäre ein gesonderter Antrag im Rahmen eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz beim zuständigen Verwaltungsgericht erforderlich. Ein solcher Antrag hat in aller Regel allerdings nur dann Erfolg, wenn bereits für das Gericht nach summarischer Prüfung feststeht, dass der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist. Dies dürfte zumindest der Fall sein, wenn objektive Umstände vorliegen, die auf den Eintritt der Verjährung schließen lassen. Ansonsten muss – auch wenn dies wesentlich länger dauert – das gerichtliche Hauptsacheverfahren abgewartet werden, um die Rückzahlung ggf. zu Unrecht gezahlter Beträge zu erwirken.
In jedem Fall ist zu beachten, dass der Widerspruch fristgemäß, d. h. einen Monat nach Bekanntgabe bzw. Zugang des Bescheides, eingelegt wird. Anderenfalls wird der zugrunde liegende Kostenbescheid rechtskräftig und kann nicht mehr angegriffen werden. Die Fristversäumnis könnte nur in Ausnahmefällen im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung geheilt werden, was aber mit ganz erheblichen Risiken verbunden ist.
Fazit
In jedem Fall ist es Zeit, endlich auf höchstrichterlicher Ebene für eine Grundsatzentscheidung zu sorgen und die nach wie vor seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten, bestehende Rechtsunsicherheit in diesem Bereich für die betroffenen Eigentümer zu beseitigen. Es wäre zu begrüßen, wenn dies auch der (Landes-)Gesetzgeber endlich erkennt und für transparente und klare Rechtsgrundlagen im KAG BB sorgt, um die Altanschließerproblematik, insbesondere in Panketal, Bernau und anderen Gemeinden im Landkreis Barnim, zu klären.
Wir halten Sie an dieser Stelle über die weiteren Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung auf dem Laufenden.