Erhält der Auftragnehmer zeitnah zu einer Verhandlung das darüber erstellte Protokoll und ist aus diesem eine Abänderung des ursprünglichen Bauvertrages zu erkennen, muss er der Vereinbarung nach den zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen unverzüglich widersprechen, um zu verhindern, dass sein Schweigen wie eine nachträgliche konkludente Genehmigung behandelt wird und die Vereinbarung mit diesem Inhalt zustande kommt.
Sachverhalt
Die Beteiligten sind durch einen Bauvertrag (VOB) verbunden und koordinieren sich im Rahmen von Bausitzungen, in denen Bauprotokolle erstellt werden.
Nach einer Bausitzung erhält der Auftragnehmer das vom Bauherrn (Auftraggeber) erstellte Bauprotokoll. Hierin wird festgehalten, dass seit dem 30.11.2011 vollständige Baufreiheit gegeben ist. Es enthält außerdem die verbindliche Zusage des Bauunternehmers, dass er die erforderliche Werkstatt- und Montageplanung bis spätestens 07.12.2011 übergeben wird. Da die Planung Mitte Dezember 2011 noch nicht vorliegt, kündigt der AG den Vertrag wegen Verzugs mit einer Hauptleistungspflicht.
Der Auftragnehmer meint, er habe sich nicht in Verzug befunden. Zur Vorlage der Planung habe er sich im Protokoll nicht verpflichtet, sondern nur erklärt, seinem Nachunternehmer, der die Planung für ihn erstellen sollte, eine entsprechende Frist gesetzt zu haben. Die Kündigung sei daher nicht als außerordentliche Kündigung, sondern lediglich als "freie" Kündigung anzusehen.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH weist die Nichtzulassungsbeschwerde zurück; damit greift die Urteilsbegründung des Kammergerichtes, das ausführte:
„Erhält der Auftragnehmer zeitnah zu einer Verhandlung das darüber erstellte Protokoll und ist aus diesem eine Abänderung eines Vertrages zu erkennen, ist er in gleicher Weise verpflichtet, den Änderungen zu widersprechen, wie er es wäre, wenn er nach der Ver-tragsverhandlung ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben über das Ergebnis der Vertragsverhandlung erhalten hätte.“
Es ist nur dann ohne Wirkung, wenn der Bestätigende (hier der Bauherr) so weit von dem Ergebnis der Verhandlungen abweicht, dass er vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis rechnen konnte.
Aus diesem Gründen ist es zu einer Vertragsänderung gekommen, die der Auftragnehmer nicht eingehalten hat; der Verzug mit der geänderten Leistungspflicht trat ein – die Kündigung war wirksam.
Die Grundsätze vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben sind zwar nicht direkt anwendbar, weil ein Protokoll über eine nach Vertragsschluss durchgeführte Verhandlung kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist. Es kommt einem solchen Schreiben inhaltlich und seinem Zweck nach aber so nahe, dass es gerechtfertigt ist, diese Grundsätze entsprechend anzuwenden, weil das Be-sprechungsprotokoll gerade zu dem Zweck erstellt wird, das Ergebnis von Verhandlungen auf der Baustelle zu bestätigen und schriftlich zu dokumentieren. Entfernen sich diese Änderungen inhalt-lich nicht zu weit von den ursprünglichen Vereinbarungen, kann der AG erwarten, dass der AN eine Prüfung vornimmt und im Falle des fehlenden Einverständnisses widerspricht.
Das Kammergericht begründet die analoge Anwendung der Rechtsfigur wie folgt: Die Abwicklung von Bauverträgen ist häufig durch Änderungen gekennzeichnet, die sich aus ständig neu auftauchenden technischen oder rechtlichen Problemen ergeben können. Solche Änderungen erfolgen auch in Baubesprechungen, die dem Zweck dienen, den Vertrag an die veränderten Umstände anzupassen.
Praxishinweis
Die Entscheidung des Kammergerichtes hat zur Folge, dass die Inhalte eines Protokolls vertragsän-dernde Wirkung haben können. Die Grenzen der Vertragsänderungen eines Protokolls werden in der Entscheidung nur abstrakt umschrieben. Der jeweils Protokolliernde sollte sich nicht darauf verlassen, dass alle Änderungen im Verhältnis zu den vertraglichen Regelungen von den Wirkun-gen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens rechtlich getragen werden. Andererseits sollten alle Beteiligten die mögliche Tragweite des Protokolls hinterfragen. Es wird in dieser Frage immer um Entscheidungen im Einzelfall gehen. Vorsicht ist geboten; Rechtssicherheit in wesentlichen Fragen sollte gezielt auf anderem Wege, zumindest ausdrücklich, hergestellt werden.