Bauliche Veränderung - ist schon die Änderung der Optik ein Nachteil?

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BGH, Urteil vom 14.12.2012, Az. V ZR 224/11

Ist eine bauliche Maßnahme mit einer erheblichen optischen Veränderung verbunden, so liegt hierin - unabhängig vom gängigen Zeitgeschmack - stets ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG.

Sachverhalt

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verfügte über Balkonanlagen, deren Brüstungen aus Holz bestanden. Auf einer Eigentümerversammlung wurde der Beschluss gefasst, dass im Falle der Sanierungsbedürftigkeit die Balkonbrüstungen aus Holz im Wege der modernisierenden Instandsetzung durch solche aus Stahl und Glas zu ersetzen sind. Es wurde die Beschlussanfechtungsklage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass ein Beschluss über die Vornahme einer baulichen Veränderung vorliege. Die Anfechtungsklage war vor dem Amts- und auch vor dem Landgericht erfolglos; hiergegen wendeten sich die Kläger mit der Revision zum Bundesgerichtshof.

Hintergrund

Eine bauliche Veränderung i. S. d. § 22 Abs. 1 WEG bedarf der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, die durch diese Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinaus beeinträchtigt werden. Ein Nachteil i. S. d. § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung. Vorliegend war streitig, ob eine (erhebliche) optische Veränderung allein ausreicht, um einen derartigen Nachteil zu bilden, oder ob zu der Tatsache der optischen Veränderung auch noch eine "Verschlechterung" treten muss.

Die Entscheidung des BGH

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Landgericht. Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof aus, dass allein die Veränderung des optischen Gesamteindruckes ausreiche, um einen Nachteil i. S. d. § 14 Nr. 1 WEG darzustellen. Es komme nicht darauf an, ob diese Veränderung in etwa den "gängigen Zeitgeschmack" treffe. Ob die optische Veränderung eines Gebäudes vor- oder nachteilhaft sei, könnten selbst verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten.

Der Bundesgerichtshof wies allerdings darauf hin, dass noch zu prüfen wäre, ob es sich bei der beschlossenen Maßnahme möglicherweise um eine modernisierende Instandsetzung oder eine Modernisierung handelt. Da hierzu die vorherigen Instanzen keine Feststellungen getroffen hatten, war der Rechtsstreit zurückzuverweisen.

Anmerkung

Die Entscheidung des Gerichts verdient uneingeschränkte Zustimmung. In der Tat ist der persönliche Geschmack nicht justiziabel. Es kann daher keinem Gericht überantwortet werden, eine Entscheidung darüber zu fällen, ob eine Veränderung eines Gebäudes schön oder nicht schön ist. Zudem hat der Gesetzgeber mit der Privilegierung von modernisierenden Instandsetzungen, für die eine einfache Mehrheit ausreicht, sowie Modernisierungsmaßnahmen, die mit einer sogenannten doppelt qualifizierten Mehrheit (3/4 der Köpfe und mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile) beschlossen werden können, deutlich gemacht, dass auch er nicht auf eine optische Verschönerung oder Verschlechterung der Anlage abstellen will, sondern dass es darauf ankommt, ob eine Maßnahme notwendig oder nützlich ist.

Jan Hartmann
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsgebiet
Mietrecht
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Wohnungseigentumsrecht