Sachverhalt
Der Kläger ist Mieter einer Wohnung in einem mehrgeschossigen Gebäude in der Berliner Innenstadt. Die Wohnumgebung ist durch überwiegend geschlossene Bebauung mit mehrgeschossigen Gebäuden geprägt. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich jedoch ein Grundstück, auf dem ein eingeschossiges Gebäude errichtet wurde. Dieses Gebäude wurde abgerissen und durch einen mehrgeschossigen Neubau ersetzt. In der Zeit der Bauarbeiten zahlte der Kläger die Miete unter Vorbehalt und forderte nach Abschluss der Arbeiten die in seinen Augen überzahlte Miete zurück. Das Amtsgericht Charlottenburg gab dem Mieter Recht und verurteilte den Vermieter zur Rückzahlung. Der Vermieter legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Hintergrund
Die Baulückenrechtsprechung, die in Berlin vornehmlich durch die 63. Berufungskammer des Landgerichts geprägt worden ist, setzt voraus, dass hinsichtlich eines unbebauten Nachbargrundstücks in der Nähe der Wohnung bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass eine Bebauung stattfindet und mithin Belästigungen durch Lärm- und Schmutz hinzunehmen sind.
Die 67. Kammer hatte immer wieder Bedenken gegen diese Rechtsprechung geäußert und auch angedeutet, dass sie die Rechtsprechung der 63. Kammer so nicht teilen werde. Der Bundesgerichtshof hat eine abschließende obergerichtliche Leitentscheidung zu diesem Themenkomplex abgelehnt und es der tatrichterlichen Würdigung überlassen, eine Entscheidung zu treffen.
Entscheidung
Das Landgericht Berlin hat den Anspruch des Mieters abgelehnt und das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg aufgehoben. Für das Landgericht war im vorliegenden Fall bewiesen, dass es sich bei dem eingeschossigen Gebäude um eine offenkundig atypische Bebauung gehandelt habe, sodass der Mieter bereits bei Vertragsschluss damit hätte rechnen müssen, dass dieses Gebäude abgerissen und durch einen Neubau, der sich in das Umfeld einpasst, ersetzt werde. Überraschend ist bei dieser Entscheidung, dass sich die 67. Kammer unter Anlehnung an die Rechtsprechung der 63. Kammer gegen eine Minderung des Mieters entschied. Für die Kammer kam es darauf an, dass es für den Mieter bei Vertragsschluss erkennbar war, dass es zu Baumaßnahmen in der Zukunft kommen dürfte. Der Mieter hätte bei Vertragsschluss nicht von einem unveränderlichen Umfeld ausgehen können.
Die Baumaßnahme, insbesondere der aus dieser resultierende Baulärm, stellte damit keinen Mangel dar, da keine Abweichung von einem vertraglich vereinbarten Sollzustand gegeben war.
Anmerkung
Die Entscheidung ist etwas überraschend, wurde sie doch von der grundsätzlich mieterfreundlich eingestellten 67. Kammer des Landgerichts getroffen. Es ist jedoch offenkundig, dass sich in Berlin die Berufungskammern in Mietsachen im Hinblick auf die Baulückenrechtsprechung auf eine einheitliche Linie verständigt zu haben scheinen und damit für erheblich mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sorgen. Die Übertragung der Baulückenrechtsprechung auf ein atypisch bebautes Grundstück ist daher nur konsequent und zu begrüßen. Es kann faktisch keinen Unterschied machen, ob das Grundstück unbebaut oder mit einer Ruine bebaut ist.
In Zukunft sollte daher bei Abschluss von Mietverträgen auch die Umgebung näher in Augenschein genommen werden, damit in einem Verfahren später dargelegt und bewiesen werden kann, dass die Bebauung eines Nachbargrundstücks tatsächlich vorhersehbar gewesen ist.