Gemäß einem Urteil des BGH werden Pflichtteilsergänzungsansprüche bei der schenkweisen Zuwendung der Todesfallleistung aus einer Lebensversicherung grundsätzlich nach dem Rückkaufswert der Lebensversicherung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers berechnet.
Sachverhalt
Es handelt sich um eine typische Konstellation, die in Deutschland aufgrund der zahlreichen Lebensversicherungspolicen sehr häufig vorkommt.
Der Erblasser (El) setzt Person B als Erben ein. Außerdem wird B widerruflich als Bezugsberechtigter aus einem Lebensversicherungsvertrag benannt.
Der Erblasser hat einen Sohn, A. Durch die Benennung des B als Erben wird der Sohn A enterbt. Dadurch entstehen Pflichtteilsansprüche des Sohnes gemäß §§ 2303 ff BGB. Da die Zuwendung der Lebensversicherungssumme an den Erben B letztendlich eine Schenkung darstellt, stehen dem Sohn A auch sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB zu. In dem konkreten Fall stritten der Sohn und der Erbe über die Höhe dieser Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Entscheidung
In seiner Entscheidung betont der BGH zunächst, dass die Zuwendung der Versicherungsleistung des Erblassers an den Erben B letztendlich eine mittelbare Schenkung an B darstellt. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers erwirbt der Bezugsberechtigte, also der Erbe B, einen Anspruch auf die Versicherungssumme direkt gegen den Versicherer. Eigene Ansprüche des Erblassers aus dem Versicherungsvertrag gehen im Zeitpunkt seines Todes unter. Rechtlich bedeutet dies, dass die Versicherungssumme nie zum Vermögen des Erblassers gehörte und damit auch kein Teil des Nachlasses ist!
Das Dreiecksverhältnis zwischen dem Versicherer, dem Erblasser und dem Bezugsberechtigten (dem Erben B) kann laut BGH so beschrieben werden, dass der Erblasser den Anspruch des Bezugsberechtigten durch seine Leistungen an den Versicherer (also die monatlich gezahlten Prämien) „erkauft“.
Dadurch, dass der Erblasser dem Erben B die Versicherungsleistung zugewendet hat, stehen dem Sohn A Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB zu.
Entscheidend war nun, wie diese Pflichtteilsergänzungsansprüche berechnet werden sollen.
Laut BGH könne nur der Gegenstand maßgeblich sein, den der Erblasser weggibt, um die Bereicherung bei dem Bezugsberechtigten, also dem Erben B, zu erkaufen. Dies ist grundsätzlich der Rückkaufswert, den der Erblasser erzielen könnte, wenn er die Lebensversicherung zum Zeitpunkt seines Todes gekündigt hätte.
Bislang hatte der BGH in ständiger Rechtsprechung stets auf die durch den Erblasser zu seinen Lebzeiten eingezahlten monatlichen Prämien abgestellt. Diese Rechtsprechung hat der BGH durch die Entscheidung vom 28.04.2010 jedoch aufgegeben.
Zu beachten ist auch, dass die faktisch an den Bezugsberechtigten ausgezahlte Versicherungssumme gegebenenfalls höher als der Rückkaufswert sein kann. Bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen kommt es jedoch grundsätzlich auf den Rückkaufswert an.