Sachverhalt
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) verklagt die Errichter ihrer Wohnungseigentumsanlage vor dem Landgericht auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung von Mängeln an der Hof- und Zugangsfläche.
Die WEG rügt es insbesondere als mangelhaft, dass der aus Epoxydharz bestehende Belag der Hof- und Zugangsfläche kein Gefälle aufweist (fehlende Hangneigung).
Der Vertrag enthält keine ausdrücklichen Regelungen zur Ausbildung eines Gefälles.
Im Klageverfahren wird ein Sachverständiger hierzu befragt. Dieser stellt fest, dass keine normgemäßen Angaben bzw. kein Regelwerk vorliegen, die ein Gefälle bei einem Belag mit Epoxydharz vorsehen.
Der Sachverständige stellt allerdings fest, dass auf dem Belag offensichtlich Pfützen stehen, die auch zu größeren Verschmutzungen führen, und stellt dies in unmittelbaren Zusammenhang damit, dass der Belag nicht „im Gefälle verlegt“ worden ist. Er hält es selbst für empfehlenswert, ein Gefälle einzubauen, und spricht diese Empfehlung unter Berücksichtigung der Beanstandungen zur Pfützenbildung auch aus.
Der Sachverständige legt aber auch dar, dass die Oberfläche den Anforderungen an die Ebenheit genügt. Er verweist darauf, dass ebene Beläge sich in Parkhäusern und Tiefgaragen bewährt haben. Er weist darauf hin, dass das Vorhandensein von Abläufen nicht zwingend ein Gefälle erfordere, da diese auch dazu genutzt werden könnten, stehendes Wasser, z. B. mit Gummischiebern, in den Ablauf zu schieben. Er weist ferner auf den Nachteil hin, den ein Gefälle hat, weil Kinderwagen wegrollen können.
Das Landgericht folgert aus den Ausführungen des Sachverständigen, dass die fehlende Ausbildung eines Gefälles der Hoffläche kein Mangel sei.
Die WEG legt Berufung gegen das Urteil ein.
Auch das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, dass das Fehlen eines Gefälles der Hof- und Zugangsfläche kein Mangel des Werks der Beklagten sei. Entscheidend sei, dass in der Baubeschreibung kein Gefälle geschuldet und auch zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit der Bauteile oder der Gebrauchstauglichkeit ein Gefälle nicht erforderlich sei. Auch die Funktionstauglichkeit des Werks sei nicht beeinträchtigt, weil eine Pfützenbildung ohnehin nicht vermieden werden könne.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft geht bis zum Bundesgerichtshof (BGH).
Entscheidungsgründe
Der BGH verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück.
Die Leistung des Werkunternehmers ist nur dann vertragsgerecht, wenn sie die Beschaffenheit aufweist, die für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch erforderlich ist (§ 633 BGB).
Laut BGH lasse das Berufungsurteil nicht erkennen, inwieweit diese Voraussetzungen vorliegen.
Das Berufungsgericht hat es u. a. für entscheidend gehalten, dass der Vertrag keine ausdrücklichen Regelungen zur Ausbildung eines Gefälles enthält. Der BGH hält das für fehlerhaft.
Der BGH führt aus, dass Leistungsbeschreibungen in Bauträgerverträgen nicht abschließend seien. Viele Details der Ausführung seien in ihnen nicht erwähnt oder genauer beschrieben. Daraus, dass ein bestimmtes Ausführungsdetail nicht erwähnt ist, könne nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass es nicht geschuldet ist. Vielmehr müsse unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Vertrages geprüft werden, ob eine bestimmte Qualität der Ausführung stillschweigend vereinbart ist.
Entsprechende Qualitätsanforderungen können sich nicht nur aus dem Vertragstext, sondern auch aus sonstigen vertragsbegleitenden Umständen, den konkreten Verhältnissen des Bauwerks und seines Umfeldes, dem qualitativen Zuschnitt, dem architektonischen Anspruch und der Zweckbestimmung des Gebäudes ergeben (BGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Az. VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 Rn. 12; Urteil vom 14. Juni 2007, Az. VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346 Rn. 25).
Entspricht das versprochene Bauwerk nicht dem üblichen Qualitäts- und Komfortstandard, könne der Besteller in der Regel auch die Ausführung nicht näher beschriebener Details in diesem Standard verlangen und muss sich nicht mit einem Mindeststandard zufriedengeben (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007, Az. VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346 Rn. 25).
Das Berufungsgericht habe – so der BGH – die gebotene Prüfung, ob ein Gefälle der Hof- und Zugangsfläche nach diesen Kriterien geschuldet ist, nicht vorgenommen. Es habe sich vielmehr auf die Prüfung beschränkt, ob ein Gefälle zwingend erforderlich ist. Darauf komme es jedoch nicht an.
Daher muss sich das Berufungsgericht erneut mit der Sache befassen und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Vertrages zunächst prüfen, ob eine bestimmte Qualität der Ausführung stillschweigend vereinbart ist.
Laut BGH wird das Berufungsgericht – wenn es noch darauf ankommen sollte – der Frage nachgehen müssen, ob die Ausführung ohne Gefälle den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Das Gutachten des Sachverständigen gebe darüber keine abschließende Auskunft. Dass der Sachverständige festgestellt hat, dass es keine normgemäßen Angaben bzw. kein Regelwerk gibt, wonach bei einem Belag mit Epoxydharz ein Gefälle vorgesehen ist, beantworte nicht die Frage, ob es eine ungeschriebene anerkannte Regel der Technik gibt, die das Gefälle fordert. Diese wäre ebenso maßgeblich wie eine geschriebene Regel (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1995, Az. VII ZR 131/93, BauR 1995, 230, 231). Insoweit werde eine Auseinandersetzung damit erwartet werden können, dass für andere Beläge nach den anerkannten Regeln der Technik ein Gefälle vorgeschrieben ist und es einen nachvollziehbaren Grund geben muss, warum das für diesen Belag nicht gelten sollte.
Anmerkung
Der BGH vertritt konsequent seinen Standpunkt zu Anforderungen an Qualität und Standard eines Bauwerks.
Wenn es keine ausdrückliche Vereinbarung zur Beschaffenheit eines Bauwerkes gibt, ist das nicht gleichbedeutend damit, dass die Beschaffenheit nicht einem bestimmten Qualitätsstandard entsprechen muss. Das gilt selbst dann, wenn es keine DIN-Norm und auch kein sonstiges Regelwerk gibt, auf das man zurückgreifen könnte.
Ob ein Bauwerk den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, kann sich auch aus ungeschriebenen Grundsätzen ergeben. Denn: Ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik liegt bereits vor, wenn der Auftragnehmer solche technischen Regeln nicht beachtet, die sich in der Wissenschaft als richtig durchgesetzt und in der Baupraxis als richtig bewährt haben.