BGH hält beim Ehegattenunterhalt eine Vollzeiterwerbstätigkeit einer alleinerziehenden Mutter für zumutbar.

    • Familienrecht

BGH, Urteil vom 15.06.2011, XII ZR 94/09

Sachverhalt

Die Parteien hatten im Mai 1999 geheiratet. Im Juli 1999 wurde eine gemeinsame Tochter geboren. Die Scheidung der Ehe der Parteien erfolgte im Februar 2005.

Im Juli 2007 schlossen die Parteien einen Vergleich ab, wonach der Kläger, der Kindesvater an die Mutter einen monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 440,00 EUR zu zahlen hat. Die Tochter kann in der Grundschule nach der Unterrichtszeit im Rahmen einer offenen Ganztagsschule betreut werden.

Der unterhaltsverpflichtete Kläger begehrt nun den Wegfall seiner Unterhaltspflicht ab Februar 2008.

Das OLG Düsseldorf wies das Begehren des Klägers ab und hielt diesen weiterhin dazu verpflichtet, Ehegattenunterhalt zu zahlen.

Entscheidung

Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und wies die Sache zu einer erneuten Verhandlung an das OLG zurück.

Die Parteien streiten über den sogenannten nachehelichen Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB.

Die Regeln zum Betreuungsunterhalt wurden durch die Unterhaltsreform zum 01.01.2008 durch den Gesetzgeber neu gestaltet. Nach altem Recht (also vor der Unterhaltsreform im Januar 2008) galt ein durch die Oberlandesgerichte entwickeltes Altersphasenmodell.

Für den betreuenden Elternteil eines 0-8 Jährigen Kindes bestand überhaupt keine Obliegenheit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Neben der Betreuung eines Kindes im Alter von 8-12 Jahren war eine teil- bis vollschichtige Erwerbstätigkeit, mindestens im Umfang von 20 Wochenstunden auszuüben. Nach dem 12. Lebensjahr eines Kindes bestand grundsätzlich die Obliegenheit zur Ausübung einer Vollzeittätigkeit.

Seit der Neugestaltung des Betreuungsunterhaltes durch die Unterhaltsreform zum 01.01.2008 besteht ab Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils. Nur aus Billigkeitsgründen kann dieser dreijährige Basisunterhalt verlängert werden.

Der BGB betont in seiner Entscheidung, dass die Neuregelung des § 1570 BGB dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhaltes über die Dauer von drei Jahren hinaus auferlegt. Der unterhaltsberechtigte Elternteil müsse kind- oder elternbezogene Gründe vortragen, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils ab dem dritten Lebensjahr des Kindes entgegenstehen.

Dies habe die Mutter in dem vorliegenden Fall nicht hinreichend getan. Bei der Beurteilung der Erwerbsobliegenheiten der Mutter sei das OLG offensichtlich überwiegend von dem nicht mehr anwendbaren Altersphasenmodell ausgegangen. Das OLG habe er versäumt individuelle Einzelumstände zu prüfen, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit der Mutter entgegenstehen.

Der Rechtstreit wurde daher zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen.

Im Ergebnis hält der BGH eine vollschichtige Erwerbstätigkeit eines betreuenden Elternteils ab dem dritten Lebensjahr eines Kindes daher durchaus für möglich.

Sebastian Weiß
Fachanwalt für Familien- und Erbrecht
Rechtsgebiet
Familienrecht
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Erbrecht