Der BGH hat sich mit der sehr praxisrelevanten Frage beschäftigt, ob eine ordentliche Kündigung wegen verfehlter Schriftform (eines an sich befristeten Vertrages) auch dann möglich ist, wenn eine so genannte Schriftformheilungsklausel Vertragsbestandteil geworden ist.
Sachverhalt
Es wurde ein schriftlicher Mietvertrag über eine Ladenverkaufsfläche abgeschlossen, der eine feste Mietzeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2015 vorsah. Die Vertrasparteien vereinbarten auch Folgendes:
"Alle Vereinbarungen, die zwischen den Parteien getroffen worden sind, sind in diesem Vertrag enthalten. Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Den Mietvertragsparteien sind die besonderen gesetzlichen Schriftformerfordernisse der §§ 550, 126 BGB bekannt. Sie verpflichten sich hiermit gegenseitig, auf jederzeitiges Verlangen einer Partei alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis Genüge zu tun, und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen. Dies gilt nicht nur für den Abschluss des Ursprungsvertrages/Hauptvertrages, sondern auch für Nachtrags-, Änderungs- und Er-gänzungsverträge."
In der Folgezeit vereinbarten die Parteien eine neue Vertragslaufzeit für die Zeit vom 01.03.2006 bis 28.02.2012 mit dreimaliger Verlängerungsoption. Die Einigung kam dadurch zustande, dass der Vermieter die entsprechenden Angebote des Mieters schriftlich bestätigte.
Der Erwerber der Immobilie, der in den Mietvertrag eingetreten ist, kündigte unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Schriftform die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2008.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung. Der Vermieter haeb bei der Ausübung seines Kündigungsrechts nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn er sich darauf berufen hat, dass der Mietvertrag mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar gewesen sei.
Der BGH sieht keine Verpflichtung des Vermieters, dass dieser zunächst versuchen muss, die verfehlte Schriftform zu heilen. Die in diesem Fall im Mietvertrag vereinbarte Schrift-formheilungsklausel entfaltet keine bindende Wirkung gegenüber dem Erwerber.
§ 550 BGB schützt in erster Linie einen späteren Erwerber, der – ohne hierauf Einfluss zu haben - als Vermieter in ein auf mehr als ein Jahr abgeschlossenes Mietverhältnis eintritt.
Die Regelung des § 550 BGB stellt nach allgemeiner Meinung nicht abdingbares Recht dar. Der Erwerber verhalte sich nach der überzeugenden Ansicht des BGH deshalb nicht nach § 242 BGB treuwidrig, wenn er zu der gesetzlichen Möglichkeit des Gestaltungsrechtes einer Kündigung greift.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BGH ist uneingeschränkt zu begrüßen.
Der zentrale Schutzgedanke des § 550 BGB würde ausgehöhlt werden, wann man den Erwerber und damit neuen Vermieter darauf verweisen würde, an der Heilung der verfehlten Schriftform mitzuwirken. Denn gerade aus dieser Klausel ergibt sich nicht das – schützenswerte – sichere Wis-sen des Erwerbers, welche Vertragskonditionen wirksam vereinbart sind. Durch eine Bindung des neuen Erwerbers an die Schriftformheilungsklausel würde zu dessen Lasten in jedem langfristig abgeschlossenen Gewerbemietvertrag das Risiko, die Katze im Sack zu kaufen, auf den Erwerber verlagert werden. Das eröffnet darüber hinaus dem Gestaltungsmissbrauch Tür und Tor. Selbst wenn man den Erwerber auf Schadensersatzansprüche vertrösten würde, bleibt es bei einer weder gesetzlich gewollten noch im Wirtschaftsleben angebrachten Risikoverlagerung. Der BGH stellt sich in dogmatischer Klarheit auf den Standpunkt, dass Rechtssicherheit nur durch eine Kündi-gungsmöglichkeit sicher gestellt werden kann.
Für die Vertragspraxis – und zwar nicht nur bei der Erstellung der Verträge, sondern insbesondere auch bei der Modifizierung der Verträge während der Laufzeit – hat die Entscheidung große Be-deutung:
Die Vertragsparteien selbst sind ausschließlich für das rechtliche Schicksal ihrer Verträge verant-wortlich. Sie können sich nicht auf Heilungsklauseln verlassen. Das erzeugt bei Verwaltern ein er-höhtes Haftungsrisiko, wenn durch die nicht schriftformwahrende Vereinbarung wesentlicher Ver-tragspunkte (z. B. dauerhafte Minderung des Mietzinses wegen eines Mangels; Eweiterung von Flächen; Erweiterung des Vertragszwecks etc.) die feste Laufzeit eines Vertrages vernichtet wird.