Die Beratung von beiden Ehegatten in einer Scheidung durch einen Rechtsanwalt ist grundsätzlich möglich; allerdings hat der Anwalt vor Beginn der Beratung die Ehegatten auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer solchen Beratung hinzuweisen. Unterlässt der Anwalt dies, kann er seine Gebührenforderung für die Beratung verlieren.
Sachverhalt
Klägerin im Fall des BGH ist eine Rechtsanwältin, die eine Gebührenforderung in Höhe von 1.811,36 € für eine familienrechtliche Beratung geltend macht. Der Beklagte ist ein Mandant (Ehemann), der die Rechtsanwältin zusammen mit seiner Ehefrau wegen einer Ehescheidung aufgesucht hat.
Bereits zu Beginn des Beratungsgespräches ergab sich, dass die Eheleute unterschiedliche Vorstellungen über die Modalitäten der Trennung und der Scheidung hatten. Wunschgemäß versandte die Rechtsanwältin ein Protokoll über das Beratungsgespräch in der Scheidungssache an beide Ehegatten. Die Ehefrau beauftragte daraufhin andere Rechtsanwälte mit ihrer Ehescheidung. Kurze Zeit später kündigte auch der Beklagte (Ehemann) das Mandatsverhältnis mit der Klägerin.
Die klagende Rechtsanwältin rechnete daraufhin Beratungsleistungen in Höhe von insgesamt 1.811,36 € gegenüber dem Beklagten ab. Der Beklagte verweigerte die Bezahlung und beauftragte ebenfalls andere Rechtsanwälte mit der Vertretung seiner familienrechtlichen Interessen.
Sowohl das Amtsgericht in erster Instanz als auch das Landgericht in zweiter Instanz wiesen die Klage der Rechtsanwältin zurück. Das Landgericht vertrat die Auffassung, der zugrunde liegende Anwaltsvertrag sei wegen Verstoß gegen das Verbot des Vertretens widerstreitender Interessen nichtig. Über die durch die Rechtsanwältin eingelegte Revision hatte nun der BGH zu entscheiden.
Zu den Hintergründen
Es ist grundsätzlich möglich, eine Scheidung vor dem zuständigen Familiengericht nur mit einem Anwalt durchzuführen. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Ehegatten über alle wesentlichen Folgen der angestrebten Scheidung einig sind. Ein Rechtsanwalt kann dann im Namen eines Ehegatten den Scheidungsantrag einreichen. Der andere Ehegatte benötigt dann vor Gericht keinen eigenen Anwalt.
Auch betroffene Eheleute aus Berlin, z. B. aus Pankow oder Prenzlauer Berg bzw. aus Berlin-Mitte, finden auf unserer Webseite weitere Informationen zur Ehescheidung oder zu Möglichkeiten der gütlichen Regelung der Scheidungsfolgen.
Diese Konstellation wird vor allem im Internet oft missverständlich dargestellt. Es ist nachvollziehbar, dass Ehegatten, die eine Scheidung anstreben, die Kosten dafür möglichst gering halten wollen. Häufig wollen die Ehegatten daher auch nur einen Anwalt beauftragen. Ein Rechtsanwalt darf aber niemals widerstreitende Interessen vertreten. Die Vertretung beider Ehegatten auf einmal ist daher auch nicht möglich. Das gilt auch für eine Scheidung.
Mit dem Spannungsfeld möglicher widerstreitender Interessen bei scheidungswilligen Ehegatten hatte sich nun auch der BGH zu beschäftigen.
Die Entscheidung
Der BGH hat im Ergebnis Vergütungsansprüche der klagenden Rechtsanwältin abgewiesen.
Der BGH hat es offengelassen, ob der zwischen der Rechtsanwältin und dem Beklagten zunächst zustande gekommene Anwaltsvertrag tatsächlich wegen eines Verstoßes gegen anwaltliche Berufspflichten unwirksam ist. Stattdessen hat der BGH vorrangig auf Aufklärungspflichten der Rechtsanwältin abgestellt.
Zur weiteren Begründung führt der BGH im Wesentlichen wie folgt aus:
Jedenfalls dann, wenn eine gemeinsame Beratung der Eheleute in einer Scheidungssache nicht zu der beabsichtigten Scheidungsfolgenvereinbarung führt und es trotz anfänglicher Übereinstimmungen während der anwaltlichen Beratung zu einem Interessenwiderstreit kommt, darf der Rechtsanwalt für keinen der beiden Ehepartner mehr tätig werden.
Laut BGH hätte die klagende Rechtsanwältin den Beklagten und seine Ehefrau vor der gemeinsamen Beratung darauf hinweisen müssen, dass sie im Grundsatz nur einen von beiden Ehegatten beraten kann, dass sie bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf, sondern die Eheleute nur unter Ausgleich der gegenseitigen Interessen beraten kann, und dass sie jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und widerstreitende Interessen der Eheleute unüberwindbar erscheinen, das Mandat gegenüber beiden Eheleuten niederlegen muss mit der Folge, dass beide Eheleute neue Rechtsanwälte beauftragen müssen, sodass ihnen Kosten nicht nur für einen, sondern für drei Rechtsanwälte entstehen.
Schließlich weist der BGH noch darauf hin, dass scheidungswilligen Eheleuten in der Regel nicht bewusst ist, dass ihre Interessen gegenläufig sein können, weil ihnen die gegenseitigen Rechte unbekannt sind. Die Ehegatten würden darauf vertrauen, dass der sie gemeinsam beratende Rechtsanwalt das Beste für sie herausholt, ohne sich klarzumachen, dass der Rechtsanwalt in einer gemeinsamen Beratung bei gegenläufigen Interessen dazu nicht in der Lage sein wird. Zudem sei den Eheleuten die Gefahr unbekannt, dass der Rechtsanwalt, der sie gemeinsam berät, unter Umständen das Mandat gegenüber beiden niederlegen muss und dass auf sie zusätzliche Anwaltskosten zukommen können.
Im Fall des BGH hatte die klagende Rechtsanwältin eine entsprechende umfassende Beratung nicht erteilt. Der BGH kam daher zum Ergebnis, dass dem beklagten Ehemann Schadensersatzansprüche wegen einer unterlassenen Beratung gegenüber der Klägerin zustehen. So konnte dann also die Rechtsanwältin ihre Gebührenansprüche nicht realisieren.
Praxishinweis
Auch für Ehegatten aus Berlin-Prenzlauer Berg, Weißensee oder Friedrichshain kann diese Entscheidung des BGH wichtig sein.
Eine günstige Scheidung mit nur einem Rechtsanwalt ist nur dann möglich, wenn die Ehegatten über die wesentlichen Scheidungsfolgen, wie z. B. das Umgangsrecht für gemeinsame Kinder, den Ehegattenunterhalt und das Vermögensrecht, eine Einigung erzielen. Ein Rechtsanwalt, der beide Ehegatten über eine gewünschte Scheidung und die Scheidungsfolgen berät, muss die Ehegatten umfassend über die gebührenrechtlichen Folgen aufklären; auch darüber, dass er im Fall einer Uneinigkeit das Mandat gegenüber beiden Ehegatten beenden muss.