Sachverhalt
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in dem vorliegenden Beschluss mit den deutschen Regelungen zur elterlichen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern zu befassen. In einem Urteil vom 03.12.2009 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland Väter von außerehelich geborenen Kindern beim Zugang zur (gemeinsamen) elterlichen Sorge diskriminiert.
Die weiterhin geltenden §§ 1626a sowie 1672 Abs. 1 BGB sehen vor, dass grundsätzlich die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes alleine die elterliche Sorge für das Kind ausübt. Der Vater eines nichtehelichen Kindes kann die elterliche Sorge grundsätzlich nur mit Zustimmung der Mutter erhalten. Gegen den Willen der Mutter ist eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater nur dann möglich, wenn der Mutter wegen Gefährdung des Kindeswohls die elterliche Sorge entzogen wird.
In seinem Beschluss weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass die große Mehrheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union die vollständige Gleichstellung von unverheirateten und verheirateten Eltern vorsehen. Konkret bedeutet dies, dass in 18 von 27 EU-Mitgliedstaaten nichteheliche Väter kraft Gesetz das gemeinsame Sorgerecht erlangen. In weiteren 7 Mitgliedstaaten erhält die Mutter zunächst die Alleinsorge. In diesen 7 Mitgliedstaaten kann ein nichtehelicher Vater jedoch zumindest aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung ein Sorgerecht erhalten. Nach den deutschen Regelungen ist noch nicht einmal das möglich.
Diese Rechtslage wurde durch den Beschwerdeführer, den Vater eines 1998 nichtehelich geborenen Sohnes, gerügt.
Entscheidung
Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Rechtslage nicht mit Artikel 6 Abs. 2 GG (natürliches Elternrecht) vereinbar ist.
Der Gesetzgeber greife dadurch unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichteheliches Kindes ein, dass er den Vater generell von der Sorgetragung für sein Kind ausschließt, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge mit dem Vater oder zu dessen Alleinsorge für das Kind verweigert, ohne dass ihm die Möglichkeit eingeräumt ist gerichtlich überprüfen zu lassen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder ihm gegebenenfalls auch die alleinige Sorge für das Kind zu übertragen ist. Die dem geltenden Recht zugrundeliegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden Elternkonflikt basiere und von Gründen getragen sei, die nicht Eigeninteressen der Mutter verfolgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen, habe sich nicht bestätigt.
Die Verletzung des Elternrechtes des Vaters ergebe sich vor allem daraus, dass einem nichtehelichen Vater keine Möglichkeit eingeräumt ist, gegen den Willen der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen, ob es aus Gründen des Wohls des Kindes angezeigt ist, ihm eine Mitsorge oder gegebenenfalls auch die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.
Aufgrund des Verstoßes der geltenden Regelungen gegen Artikel 6 Abs. 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber ausdrücklich eine Neuregelung zur elterlichen Sorge bei nichtehelichen Eltern angemahnt.
Anmerkung
Darüber hinaus hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes aber auch bereits praktische Konsequenzen. Laut Bundesverfassungsgericht müssen die Familiengerichte einem nichtehelichen Vater jetzt die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Obwohl eine gesetzliche Neuregelung noch immer nicht erfolgt ist, haben nichteheliche Väter damit die Möglichkeit, auf Antrag die elterliche Mit- oder Alleinsorge zu erhalten.
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