Bisher lag die Kappungsgrenze bei Anpassungen der Miete in einem bestehenden Mietverhältnis an die ortsübliche Vergleichsmiete bei 20 Prozent.
Im Rahmen des Mietrechtsänderungsgesetzes ist vom Gesetzgeber (Bundestag) eine Kompetenz an die Landesregierungen eingeführt worden, diese Kappungsgrenze auf Bundeslandebene abzusenken. Hierzu bedarf es lediglich einer Verordnung, die unter der Voraussetzung erlassen werden darf, dass
„… die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist …“.
Die „Verordnung zur Senkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen“ des Senats ist seit dem 19.05.2013 in Kraft. Somit beträgt die Kappungsgrenze für die Dauer der Wirksamkeit der Verordnung 15 Prozent.
Da der Senat von Berlin offenbar davon ausgeht, dass in der gesamten Gemeinde Berlin keine ausreichende Versorgung von Wohnraum zu angemessenen Bedingungen sichergestellt werden kann, wird neben der Absenkung der Kappungsgrenze der (so gern zitiert) „Mietwucher“ oder (etwas wertneutraler ausgedrückt) die Anwendbarkeit des § 5 WiStG thematisiert.
Eine in den tagesaktuellen Wortmeldungen oft verschwiegene Tatsache ist, dass es sich bei dieser Frage um eine letzten Endes durch das Gericht rechtlich zu bewertende Tatsache handelt und dass sich der Bundesgerichtshof bereits in der Vergangenheit - auch für Berlin - mit diesem Problem befasst hat.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Land Berlin durch das Mietrechtsänderungsgesetz ermächtigt wurde, die Mietentwicklung zu begrenzen, wenn eine Mangellage vorliegt. Es ist aber nicht dazu berufen, verbindlich festzulegen, dass eine Mangellage besteht. Gleichwohl erlangen entsprechende Aussagen des Senats vor diesem Hintergrund der Verordnung ein gewisses öffentliches Gewicht. Genau hier liegt ein Problem der aktuellen, in erster Linie politisch motivierten Debatte.
Zu § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes im Detail:
"§ 5 Mietpreisüberhöhung
(1)
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
(2)
Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen.
(3)
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden."
Die Lektüre des Bundesgesetzes lässt klar erkennen: So einfach ist das mit den angedrohten und der Verwaltung nahegelegten Bußgeldverfahren nicht, denn Absatz 2 der Vorschrift enthält gleich drei auslegungsbedürftige Tatbestandsmerkmale. Das für Berlin wohl wichtigste Diskussionsfeld hat der Bundesgerichtshof bereits vor acht Jahren geklärt; kaum zu erwarten ist, dass er von dieser Rechtsprechung nunmehr grundsätzlich abweichen wird:
BGH, Urteil vom 13.04.05, VIII ZR 44/04
„Bei der Beantwortung der Frage, ob der Vermieter ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen ausgenutzt hat, ist auf das gesamte Gebiet der Gemeinde und nicht lediglich auf den Stadtteil abzustellen, in dem sich die Mietwohnung befindet. Das Tatbestandsmerkmal des "geringen Angebots" ist deshalb nicht erfüllt, wenn der Wohnungsmarkt für vergleichbare Wohnungen nur in dem betreffenden Stadtteil angespannt, im übrigen Stadtgebiet aber entspannt ist."
Demnach erfüllt eine (hohe) Mietforderung bei Abschluss eines Mietvertrages in z. B. Berlin-Mitte die Vorrausetzungen des § 5 WiStG nicht, wenn vergleichbarer Wohnraum anderswo in Berlin, z. B. in Spandau, angemietet werden könnte. Das wird sogar in aller Regel der Fall sein. Des Weiteren muss dem Vermieter nachgewiesen werden, dass er eine Notlage ausnutzt.
In möglichen Auseinandersetzungen stehen wir mit Augenmaß als anwaltliche Berater zur Verfügung. § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) wird in Berlin punktuell zum Thema – insbesondere in Gebieten mit hoher Nachfrage nach Wohnraum, also in Pankow, Prenzlauer Berg, Berlin-Mitte, in Szenekiezen von Berlin-Kreuzberg und Friedrichshain; Newcomerviertel in Neukölln und Schöneberg werden auch betroffen sein.
Noch ein Wort zum gesellschaftspolitischen Kontext:
Es ist bereits jetzt erkennbar falsch, wenn der Senat den Eindruck erweckt, die rechtliche Lage sei klar, sogar so klar, dass die exekutive Gewalt in Berlin - die Bezirksämter - „aufgerufen“ werden können, intensiv mit Bußgeldverfahren gegen Mietpreisüberhöhungen vorzugehen. Dieser Appell lässt sich derzeit nur mit einem Ausnahmezustand erklären: Wahlkampf.
Leider ist dieses so wichtige Thema in der Presse oft nur oberflächlich abgebildet. Wenn die Berliner Zeitung in ihrer Printausgabe vom 17.07.2013 den Stadtentwicklungssenator Müller zitiert: „Was wir nutzen können, wollen wir nutzen“, ohne auf die komplexe rechtliche Lage hinzuweisen, riskiert sie eine gefährliche, weil verkürzte und polarisierende, Darstellung des Problems (Volltext hier).
Differenziert beleuchtet Sebastian Heise in seinem Beitrag in der TAZ vom 20.07.2013 alle wesentlichen Gesichtspunkte und zitiert auch eine inhaltlich sachliche, relativierende Äußerung der Sprecherin des Stadtentwicklungssenators, Frau Daniela Augenstein:
„Zwar seien die vom Bundesrecht vorgegebenen Hürden hoch, sodass die Regelung nicht bei jeder überteuerten Neuvermietung greifen wird. Aber zumindest sei die Tür geöffnet.“
Dass hingegen Interessenverbände die Standpunkte ihrer Klientel mit deutlicher Tendenz vertreten, ist legitim und liegt in der Natur der Sache. Die den Mietern zugewandten Verbände stimmen ins politische Hallali ein; vermieternahe Verbände reagieren schutzreflexartig.
Nur eine Aussage soll in diesem Zusammenhang zitiert werden, da sie eine ohnehin schon explosive Stimmungslage in Berlin aufgreift:
"Wenn die Bezirksämter jetzt aktiv werden, kann dies eine wertvolle Unterstützung für Mieter werden",
sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, im Rahmen eines Interviews für den Beitrag der Berliner Zeitung vom 17.07.2013.
Mit Rückblick auf die Auseinandersetzungen zu § 5 WiStG vor fast 10 Jahren und bei der Vorstellung, wie solche rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermietern unter gewollter Mitwirkung der Bezirksämter im tatsächlichen Leben laufen könnten, ist die Frage aufzuwerfen, ob sich eine solche Hilfe als wertvoll erweisen kann.
Mit Blick auf die tägliche Arbeit der Bezirksämter bleibt noch abzuwarten, ob die Verwaltung dem Hilferuf der Politik folgt. Denn ihren Ruf hat sich die Berliner Verwaltung zu Recht erworben: Sie handelt – bis auf wenige Ausnahmen - rechtmäßig.
Eines steht bereits jetzt fest: Es wird auf diesem ausgemachten Schlachtfeld keinen Sieger geben, erst recht nicht einen klaren. Deshalb wäre es erneut an der Zeit, denklogisch und strukturell vorrangige Themen der Wohnungspolitik in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext aufzugreifen, zu erörtern und zu klären. Das ist ein Weg, der sich über eine ganze Bergkette von Legislaturperioden erstreckt, denn stabile und vertretbare Mieten in einem wohnungswirtschaftlich gesunden Umfeld können nur erhalten bleiben, wenn der Wohnungsbau sinnvoll gefördert wird. Wenn dies gelingt, wird niemand mehr in die Verlegenheit kommen, über Milieuschutz und das Wirtschaftsstrafgesetz als Mietpreisregularien nachzudenken.
Berlin kann sich vieles leisten, einen wohnungspolitischen Konsens auf wirtschaftlich funktionierenden Fundamenten scheinbar nicht. In einer Stadt der Mieter gehört es nach meinem Verständnis zu verantwortlicher Politik, sich wenigstens auf den Weg dorthin aufzumachen. Derzeit sind nur einige Irrwege zu entdecken, fernab der Bergkette.