Auch wenn der Vermieter die Wohnung ausschließlich für berufliche Zwecke nutzen will, kann ein berechtigtes Interesse an einer Eigenbedarfskündigung vorliegen.
Sachverhalt
Die Mieter bewohnten eine Wohnung in Berlin. Im Jahr 2009 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich zum 30.04.2012 und begründete die Kündigung damit, dass seine Frau ihre Anwaltskanzlei nach Berlin verlegen möchte und in diesem Zusammenhang die von den Mietern gemietete Wohnung als Büro nutzen möchte. Die Beklagten widersprachen der Kündigung sowie dem berechtigten Interesse und machten darüber hinaus Härtegründe gemäß § 574 BGB geltend.
Hintergrund
Die Räumungsklage vor dem Amtsgericht Charlottenburg wurde im Dezember 2010 zurückgewiesen. Das Landgericht Berlin hat die gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung des Vermieters ebenfalls zurückgewiesen.
„§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. […].
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. […].“
Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) ergibt, muss der Vermieter die Räume als Wohnung […] benötigen; deshalb könnte fraglich sein, ob der Vermieter seinen Eigenbedarfswunsch auch auf eine beabsichtigte gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten stützen darf.
Die Entscheidung des BGH
Ein berechtigtes Interesse des Vermieters liegt auch dann vor, wenn der Vermieter die vermietete Wohnung ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit oder die berufliche Tätigkeit eines Familienangehörigen nutzen will. Der BGH greift dabei auf die Generalklausel des § 573 Abs. 1 BGB zurück. Die Nennung in Absatz 2, hier insbesondere Nr. 2, sei nicht abschließend. Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit sei kein Unterschied zu machen, ob der Vermieter die Wohnung beruflich oder zu Wohnzwecken nutzen will. In dem hiesigen Fall unterstrich der BGH, dass, wenn der Vermieter auch noch seine eigene Wohnung innerhalb des Hauses neben den dann als Kanzlei zu nutzenden Räumlichkeiten innehält, das berechtigte Interesse zweifelsfrei gegeben sei.
Anmerkungen
Der Zusatzhinweis des BGH, dass die bereits genutzte Wohnung in demselben Haus liegt und damit das berechtigte Interesse besonders klar sei, hat unserer Auffassung nach keine Bedeutung für die Entscheidung solcher Fälle.
Der BGH hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass die Generalklausel des Absatzes 1 der Kündigungsvorschrift des § 573 BGB herangezogen werden kann und muss, wenn es um eine andere als die Nutzung zu Wohnzwecken geht. Die Entscheidung knüpft an den Gedanken an, dass es keinen Unterschied machen kann, für welche Zwecke der Vermieter die Räumlichkeiten nutzen will. Nach wie vor muss er sie allerdings selbst oder für einen nahen Familienangehörigen nutzen wollen; insofern ändert sich nichts an der bisherigen Rechtslage.
Wer die Entscheidung in der Datenbanksammlung des BGH sucht, wird nicht sofort fündig werden, da der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat; denn das Berufungsgericht ist nicht auf die durch die Mieter vorgetragenen Härtegründe nach § 574 BGB eingegangen. Insofern muss das Berufungsgericht noch seine Entscheidung überdenken. Es wird sich jedoch nicht über die Feststellung des BGH zum grundsätzlichen Vorliegen eines berechtigten Interesses hinwegsetzen können.
Eigenbedarfskündigungen sind ein weites Feld. Deren gerichtliche Prüfungen stehen häufig auf unserer anwaltlichen Tagesordnung. Wir kennen die Rechtsprechung der Berliner Gerichte. Auch wenn ein Amtsgericht in Berlin-Mitte, Pankow, Charlottenburg oder Lichtenberg erstinstanzlich nicht „BGH-konform“ entscheidet, ist die Rechtsprechung der Berufungskammern für Mietrecht am Landgericht Berlin zumindest in den Grundzügen absehbar. Das bestimmt unsere Beratungen im Einzelfall.