Eine Eigenbedarfskündigung ist grundsätzlich zulässig, wenn der Vermieter die Wohnung nur für gelegentliche Kurzbesuche bei seiner Tochter nutzt.
Sachverhalt
Das Mietverhältnis über eine ca. 57,00 m² große Zweizimmerwohnung besteht seit 1987. Der Vermieter ist nicht in Berlin wohnansässig, sondern lebt mit seiner Frau und vier minderjährigen Kindern in Hannover. Sein fünftes Kind, eine 13-jährige Tochter, stammt aus einer früheren Beziehung. Diese lebt mit der Mutter in Berlin in einer gemeinsamen Wohnung. Bisher wurde der Kontakt zwischen Vater und Tochter dadurch aufrechterhalten und gepflegt, dass die Tochter alle zwei Wochen für ein Wochenende nach Hannover gefahren ist. Die Tochter äußerte den Wunsch, dass ihr Vater die Wochenenden in Berlin verbringen möge oder sogar flexibel unter der Woche in Berlin sein solle. Aus diesem Grund kündigte der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarf.
Entscheidung
Nachdem die Räumungsklage durch das Amtsgericht abgewiesen worden ist, hat die 67. Mietrechtsberufungskammer des Landgerichts Berlin das Urteil aufgehoben und der Räumungsklage stattgegeben. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin besteht Eigenbedarf.
Das Landgericht begründet seine Entscheidung damit, dass der Vermieter seine Wohnung benötige, um regelmäßig, durchaus auch spontan und kurzfristig, in familiärer und häuslicher Atmosphäre mit seiner Tochter zusammentreffen zu können. Dabei spiele auch eine Rolle, dass die heranwachsende Tochter nicht mehr regelmäßig an den Wochenenden verreisen, sondern ihr soziales Umfeld in Berlin nutzen möchte. Die Unterhaltung einer Zweitwohnung in Berlin sei daher aus Sicht des Vermieters erforderlich. Hinsichtlich der durchaus auch zeitlich belastenden Umstände erhöhter Reisetätigkeit des Vaters hat das Landgericht lediglich angemerkt, dass eine solche Lebensweise, die hier ernsthaft vorgetragen worden sei, vom Gericht zu akzeptieren ist.
Anmerkung
Da sich der BGH zu der Frage der Eigenbedarfskündigung im Zusammenhang mit der Nutzung einer Wohnung als Zweitwohnung nicht geäußert hat, ist die Entscheidung des Landgerichts Berlin wohl von nicht zu unterschätzender Bedeutung.
Allerdings muss angemerkt werden, dass die Rechtsprechung der Instanzen-Gerichte durchaus zerklüftet ist. So hat zum Beispiel das Landgericht Berlin (65. Mietrechtsberufungskammer) in einer Entscheidung vom 04.06.1996 zum Aktenzeichen 65 S 48/96 entschieden, dass Eigenbedarf zu verneinen sei, wenn es sich um eine einmalige Übernachtung pro Wochenende in einer 4-1/2-Zimmer-Wohnung handele.
Eigenbedarf wurde vom Landgericht Hamburg mit einer Entscheidung vom 01.03.1994 bejaht (Aktenzeichen 316 S 168/93) – hier handelte es sich um die berufsbedingte Nutzung einer Wohnung in Hamburg an acht bis zehn Tagen pro Monat. Erstaunlich an der Entscheidung ist, dass das Landgericht die ambitionierten Absichten des familiär und beruflich stark eingebundenen Vermieters als überwiegende Interessen über den Bestand des Mietverhältnisses stellt. Damit hat das Landgericht Berlin eine sehr weite Auslegung des berechtigten Interesses vorgenommen und wird die in weiten Teilen der Stadt, insbesondere in den Sanierungsgebieten, entstehenden Tendenzen verstärken.
Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Entscheidung durch den Bundesgerichtshof überprüft worden wäre. Die 67. Kammer hat jedoch die Zulassung zur Revision versagt.
Da eine höchstrichterliche Rechtsprechung immer noch nicht vorliegt, kann das Urteil zwar als Argumentationshilfe für die Durchsetzung von Eigenbedarfskündigungen mit ähnlichen Fallkonstellationen herangezogen werden; dass eine andere Kammer des Landgerichts Berlin in einem solchen Fall die Revision zulassen würde, ist unseres Erachtens jedoch durchaus möglich.