Erweist sich die Vereinbarung eines Zeitmietvertrages als unwirksam, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann dem bei Vertragsschluss bestehenden Willen der Mietvertragsparteien, das Mietverhältnis nicht vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Mietzeit durch ordentliche Kündigung zu beenden, im Einzelfall dadurch Rechnung getragen werden, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht tritt, der eine ordentliche Kündigung frühestens zum Ablauf der (unwirksam) vereinbarten Mietzeit ermöglicht.
Sachverhalt
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Kläger. In einem am 10.11.2009 geschlossenen „Zeit-Mietvertrag“ wurde vereinbart, dass das Mietverhältnis am 15.11.2009 beginnt und am 31.10.2012 endet. Trotz dieser vermeintlich fest vereinbarten Vertragslaufzeit erklärten die Kläger bereits am 31.10.2010, d. h. zwei Jahre vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit, die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf. Mit ihrer Klage nehmen die Kläger die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch.
Entscheidung
Der BGH hat die Wirksamkeit der Kündigung verneint.
Die im Mietvertrag vorgesehene Befristung sei unwirksam, da es bei Vertragsschluss an der schriftlichen Angabe eines notwendigen Befristungsgrundes mangele. Die Befristung eines Mietverhältnisses über Wohnraum sei nur zulässig, wenn der Vermieter einen Grund der Befristung, beispielhaft die beabsichtigte Eigennutzung nach Ablauf der Mietzeit, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schriftlich mitteilt. Rechtsfolge wäre, dass der Mietvertrag in Ermangelung einer wirksamen Befristung als auf unbestimmte Zeit geschlossen und somit beiderseits jederzeit ordentlich kündbar gelte.
Der BGH greift in seiner Entscheidung jedoch zur Möglichkeit der Vertragsauslegung: Durch die Unwirksamkeit der von den Parteien gewollten Regelung sei eine ungeplante Vertragslücke entstanden. Die Lücke sei in derartigen Fällen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung dessen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn Ihnen die Unwirksamkeit der vereinbarten Vertragsbestimmung bekannt gewesen wäre, zu schließen.
Aus der Aufnahme der zeitlichen Befristung für den Zeitraum November 2009 bis Oktober 2012 leitet der BGH einen bei Vertragsschluss beiderseits bestehenden Willen der Parteien, dass das Mietverhältnis jedenfalls für diese Zeit Bestand haben sollte, ab. Nach Auffassung des BGH hätten die Parteien für den Fall, dass Ihnen die Unwirksamkeit der von ihnen grundsätzlich gewollten Befristung erkennbar gewesen wäre, die dadurch entstandene Vertragslücke dahingehend geschlossen, dass an die Stelle der unwirksamen Befristung ein beiderseitiger Kündigungsverzicht in der Weise tritt, dass eine Kündigung frühestens zum Ablauf der vereinbarten Mietzeit (31.10.2012) möglich ist. Durch diese Auslegung werde das von beiden Vertragsparteien angestrebte Ziel einer Bindung für die im Vertrag bestimmte Zeit erreicht.
Anmerkung
Die Entscheidung des BGH ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie nimmt sowohl dem Vermieter als auch dem Mieter das Risiko, dass das Mietverhältnis aufgrund eines Formfehlers durch eine der Parteien aufgekündigt werden kann, obwohl ein Wille der Parteien, sich für eine bestimmte Vertragslaufzeit aneinander zu binden, festgestellt werden kann. Die Ermittlung des Parteiwillens ist jedoch eine Einzelfallprüfung. Ein genereller Grundsatz, dass bei der Unwirksamkeit eines Zeitmietvertrages zwingend von einer Auslegung dahingehend auszugehen ist, dass an dessen Stelle ein beiderseitiger Kündigungsverzicht tritt, kann hieraus nicht abgeleitet werden.
Praxishinweis
Der BGH setzt mit der vorzitierten Entscheidung seine Rechtsprechung, nach der die individualvertraglich unwirksame Vereinbarung einer festen Vertragsdauer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung als wirksamer beiderseitiger Kündigungsverzicht aufrechtzuerhalten ist (BGH, Urteil vom 10.07.2013, Az. VIII ZR 388/12), fort.