Förmliche Abnahme: Das Abnahmeprotokoll muss nicht zwingend von beiden Parteien unterzeichnet werden

OLG Hamburg, Urteil vom 30.10.2009-9U 144/00

Sachverhalt

Die Entscheidung behandelt eine in der Praxis regelmäßig auftretende Konstellation: Die Parteien eines Bauvertrages vereinbaren, dass die Abnahme förmlich zu erfolgen hat. Nach Fertigstellung der Arbeiten bittet der Auftragnehmer den Auftraggeber um Erklärung der Abnahme. Das von dem Auftraggeber mit der Bauleitung beauftragte Ingenieurbüro erstellt eine Abnahmebescheinigung, die es dem Auftragnehmer zusendet. Der Auftragnehmer unterzeichnet diese Bescheinigung, die sodann aber nicht vom Auftraggeber bzw. von dessen Bauleitungsbüro gegengezeichnet wird. Der Auftragnehmer klagt sodann seine rechtliche Vergütung ein, die der Auftraggeber wegen angeblicher Mängel zurück hält. Der Auftragnehmer meint, die Abnahme sei erklärt worden, sodass der Auftraggeber für die Mängel darlegungs- und beweispflichtig sei. Der Auftraggeber wiederum vertritt die Auffassung, man befände sich noch immer im Stadium vor Abnahme, da kein von beiden Parteien unterzeichnetes Abnahmeprotokoll vorliege.

Entscheidung

Der Auftragnehmer erhält Recht. Das Oberlandesgericht geht von einer wirksam erklärten förmlichen Abnahme i. S. d. § 12 VOB/B aus. Die fehlende Unterschrift des Auftraggebers auf der Abnahmebescheinigung ist insoweit unschädlich. Eine Unterschrift beider Parteien ist nach Auffassung des Gerichts nicht Wirksamkeitserfordernis der förmlichen Abnahme.

Praxishinweis

Auch wenn die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamburg nicht herrschende Meinung bzw. nicht ganz unumstritten ist, zeigt das Urteil, dass beide Bauvertragsparteien besonderen Augenmerk auf die Erklärung der Abnahme legen sollten. Denn diese ist Dreh- und Angelpunkt des Werkvertragsrechts. Von der Abnahme hängt der Eintritt weiterer wichtiger Rechtswirkungen ab, wie beispielsweise die Fälligkeit der Vergütung, der Gefahrübergang auf den Auftraggeber, die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast sowie schließlich auch der Beginn der Gewährleistungspflicht. Aus diesem Grund sollte beiden Parteien daran gelegen sein, Klarheit bezüglich der Erklärung der Abnahme zu erlangen. Sofern eine förmliche Abnahme vertraglich vereinbart ist, sollte also darauf geachtet werden, dass beide Parteien ein Abnahmeprotokoll unterzeichnen. Dabei ist auch darauf zu achten, dass der bauleitende Architekt grundsätzlich – es gibt selbstverständlich Ausnahmen – nicht dazu bevollmächtigt ist, die Abnahme für den Bauherren zu erklären. Zugleich sollte berücksichtigt werden, dass durch die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme auch fiktive Abnahmeformen ausgeschlossen sind.

Thorsten Krull
Rechtsanwalt