Der eine fristlose Kündigung begründende Zahlungsverzug entfällt nicht wegen fehlenden Verschuldens des Mieters, wenn dieser bei Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt hätte erkennen können, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des von ihm in Anspruch genommenen Minderungsrechts nicht bestehen.
Sachverhalt
Mieter und Vermieter sind sich über die Ursache von Schimmel und Kondenswasserbildung in einem angemieteten Haus uneinig. Der Mieter ist der Ansicht, dass es sich um bauliche Mängel des Hauses handelt; der Vermieter meint, dass das Heiz- und Lüftungsverhalten der Mieter dafür verantwortlich sei. Unstreitig blieb, dass der Mieter zwei Aquarien und ein Terrarium im Haus unterhielt.
Nach Erreichen eines durch die Minderung eingetretenen Zahlungsrückstandes in Höhe von zwei Mieten kündigte der Vermieter das Mietverhältnis. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hatte das Amtsgericht einen zur Minderung berechtigenden Mangel verneint und der Zahlungsklage, die neben der Räumungsklage eingereicht worden war, stattgegeben. Auch die Räumungsklage hatte Erfolg. Die Mieter legten gegen das Urteil Berufung ein. Das Berufungsgericht hatte sich dann nur noch mit der Räumung zu befassen, da der Mietzinsrückstand zwischenzeitlich ausgeglichen worden war. Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass die Beklagten hinsichtlich der Nichtzahlung der Miete (oder anders formuliert: bei der vorgenommenen Mietminderung) kein Verschulden getroffen hätte. Insoweit sei die Kündigung unwirksam gewesen.
Hintergrund
Ausgangspunkt ist § 543 Abs. 2 BGB. Der Mieter hat die Nichtzahlung der Miete dann zu vertreten, wenn ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fallen.
Das Berufungsgericht hatte zum Verschulden ausgeführt:
„Hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs des § 276 BGB sei im Rahmen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ein großzügiger Maßstab anzulegen. Bestünden sachlich gerechtfertigte Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der Mietzahlung (Berechtigung der Minderung), müssten diese im Wege der Leistungsklage ausgetragen werden. Der Rückgriff des Vermieters auf das Kündigungsrecht sei in diesen Fällen sachfremd, weil § 543 BGB nicht als Druckmittel gegen den Mieter eingesetzt werden dürfe, um ihn zum Verzicht auf die Geltendmachung seiner Rechte zu bewegen. Da im Streitfall die Ursache der Schimmelbildung unklar gewesen sei, fehle es an einem Verschulden der Beklagten.“
Dieses „mildere Licht“ auf das Verschulden eines Mieters als privilegierter Schuldner schaltet der BGH mit der vorliegenden Entscheidung endgültig aus.
Für den „unverschuldeten Rechtsirrtum“ (i. d. R. Höhe der Minderung) hatte der VIII. Senat bereits in seiner Entscheidung vom 25.10.2006 (VIII ZR 102/06) einen „strengen“ Maßstab angelegt. Die aktuelle Entscheidung beschäftigt sich mit einem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen der Kündigung.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH dehnt den „strengen“ Maßstab an ein Verschulden auch auf den Bereich des Tatsächlichen aus. Würde man dem Mieter eine leichtfertige Bewertung der Grundlagen der Minderung einräumen, liefe es darauf hinaus, dass der Mieter nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften würde. Dafür bestehe aber angesichts der anderen Möglichkeiten, die dem Mieter zur Seite stehen (z. B. Vorbehaltszahlung und gerichtliche Klärung der Minderungsrechte), keine Veranlassung. In dem hiesigen Fall hätte dem Mieter durchaus der Gedanke kommen können, dass sich die Feuchtbiotope in seiner Wohnung auch auf andere Bereiche und mit anderen Erscheinungsformen ausdehnen.
Anmerkungen
Der BGH hätte die Frage nach dem „milderen Licht“ in diesem Fall gar nicht stellen müssen, denn das Verhalten der Mieter bei der Einschätzung der Umstände des Schimmels hat die Verschuldensform der einfachen Fahrlässigkeit bereits verlassen; dennoch setzt sich der BGH mit dieser Frage auseinander. Er rückt damit die gesetzlich normierte und für den Bereich des Mietrechts nicht eingeschränkte Verschuldensfrage wieder gerade – sowohl für den Rechtsirrtum als auch für den Tatsachenirrtum bei der Einschätzung der Minderungsrechte.
Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass der Mieter in einer Auseinandersetzung über Minderungsrechte über solche Tatsachen ins Bild gesetzt werden muss, die nur der Vermieter kennt. Wenn der Mieter dann immer noch uneinsichtig ist und die Miete fahrlässig kürzt, verlagert sich das Risiko auf den Mieter.
Der Fall ist nicht untypisch. Schimmelprobleme treten häufig auf – die Frage nach der Ursache ist nicht immer leicht zu beantworten. Wie die Entscheidung zeigt, darf es sich der Mieter aber auch nicht zu leicht machen. Er hätte zum Beispiel auch prüfen können, ob seine Terrarien mehr Luftfeuchtigkeit erzeugen, als eine normale Wohnnutzung mit sich bringt. Er hätte sich hierfür eines Gutachters bedienen können. In Berlin gibt es dafür spezialisierte Unternehmen, die mit relativ wenig Aufwand entsprechende Prüfungen vornehmen. In den Stadtbezirken Berlin-Mitte, Prenzlauer Berg, Pankow und Friedrichshain sowie auch Weißensee sind Firmen wie „Feuchteklinik“ etc. tätig; die Ergebnisse der Begutachtungen bestimmen das OB und das WIEVIEL der Minderung. Diese Einschätzung kann dann mithilfe eines Anwalts, am besten eines Fachanwalts für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse erfolgen.