Heilungsmöglichkeiten der ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzug

LG Berlin, Urteil vom 17.01.2014, Az. 65 S 366/13

Die Heilung der Wirkung der zugleich ausgesprochenen fristlosen Kündigung durch die Bezahlung aller offenstehenden Mieten bewirkt nicht zugleich die Heilung der Wirkung der fristgemäßen Kündigung. Das Festhalten des Vermieters an der fristgemäßen Kündigung ist nicht treuwidrig (§ 242 BGB), wenn der Mieter schon früher mit der Mietzahlung in einer Weise in Verzug geraten war, die zur Kündigung berechtigte.

Sachverhalt

Die Klägerin war Vermieterin des Beklagten. Der Beklagte geriet in den Monaten Januar und März 2013 jeweils mit der geschuldeten Miete in Verzug. Aufgrund dieser Zahlungsrückstände sprach die Klägerin gegenüber dem Beklagten die außerordentliche und fristlose, hilfsweise ordentliche und fristgemäße, Kündigung aus. Die Kündigung wurde dem Beklagten gegenüber am 11.03.2013 ausgesprochen. Der Beklagte beglich am 14.05.2013 alle Rückstände. Die Klägerin (Vermieterin) nahm den Beklagten (Mieter) trotzdem vor dem Amtsgericht Neukölln auf Räumung und Herausgabe der Mieträumlichkeiten in Anspruch. Das Amtsgericht Neukölln wies die auf Räumung gerichtete Klage als unbegründet zurück; es sah den Anspruch der Klägerin nicht für begründet an.

Hiergegen richtete sich die Klägerin nunmehr mit der vor dem Landgericht Berlin erhobenen Berufung.

Hintergrund

Das Gesetz gewährt dem Vermieter die Möglichkeit, eine außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen auszusprechen. Jedoch gewährt das Gesetz dem Mieter die Möglichkeit, die Heilung der einmal ausgesprochenen Kündigung herbeizuführen. Hierzu ist es erforderlich, dass der Vermieter vollständig befriedigt wird. Der Mieter muss diese Befriedigung innerhalb einer gesetzlichen Schonfrist bewirken. Neben dem Ausspruch der fristlosen Kündigung kann der Vermieter, gestützt auf das Fehlverhalten des Mieters, eine ordentliche Kündigung aussprechen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung mehrfach ausgeführt, dass eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzug immer dann möglich ist, wenn der Zahlungsrückstand den Betrag von einer Monatsmiete übersteigt und darüber hinaus der Zahlungsverzug länger als einen Monat andauert. Der Bundesgerichtshof hat zudem ausgeführt, dass die analoge Anwendung des Heilungstatbestandes auf die ordentliche Kündigung nicht anwendbar ist. Der Bundesgerichtshof hat jedoch die Möglichkeit offengelassen, dass auch eine ordentliche Kündigung durch vollständige Befriedigung des Vermieters unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unwirksam werden kann.

Entscheidung

Das Landgericht Berlin hat den Beklagten zur Räumung und Herausgabe der von ihm innegehaltenen Mieträumlichkeiten verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht darauf abgestellt, dass der Beklagte zwar die außerordentliche und fristlose Kündigung durch vollständige Befriedigung der Klägerin geheilt habe, der Beklagte habe jedoch im laufenden Mietverhältnis mehrfach und andauernd Mietrückstände verursacht. Aufgrund dieses erheblichen Fehlverhaltens im Laufe des gesamten Mietverhältnisses könne sich der Beklagte nicht darauf stützen, dass das Festhalten  an  der  ausgesprochenen ordentlichen Kündigung  rechtsmissbräuchlich  und  gemäß § 242 BGB mithin treuwidrig sei. Das Landgericht Berlin hat darauf abgestellt, dass allein der Umstand, dass der Beklagte binnen zwei Monaten nach Zugang der fristlosen Kündigung die vollständige Befriedigung der Klägerin herbeigeführt habe, sein vorheriges Verschulden nicht in einem milderen Licht erscheinen lasse.

Der Beklagte hat, bevor erstmals die fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, mehrfach für einen Zahlungsverzug gesorgt, sodass auch zu einem früheren Zeitpunkt mehrfach die Möglichkeit bestanden habe, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Dieses vormalige Verhalten des Beklagten ist in der Gesamtschau unter den Würdigungen der Besonderheiten des Einzelfalls bei der Entscheidung mit zu berücksichtigen. Aus dieser Gesamtschau folgt nicht, dass das Verhalten der Klägerin, hier die Durchsetzung der ordentlichen Kündigung, an dem § 242 BGB scheitert.

Insbesondere hat das Landgericht Berlin darauf verwiesen, dass das Risiko einer Vermögens- oder Einkommenslosigkeit der Beklagte als Mieter trägt und dieses Risiko nicht auf die Vermieterin, mithin die Klägerin, abgewälzt werden kann. Für den Umstand, dass der Beklagte in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, trägt die Klägerin keine Verantwortung. Somit ist der Anspruch der Klägerin begründet und das Urteil der ersten Instanz vollumfänglich aufgehoben worden.

Anmerkung

Auch in dieser Entscheidung hat sich das Landgericht Berlin, hier die 65. Kammer, mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob zugunsten des Mieters der § 242 BGB dazu führt, dass eine Berufung auf die ordentliche Kündigung rechtsmissbräuchlich, mithin treuwidrig, sein könnte. Das Landgericht hat in der vorliegenden Entscheidung eine Anwendung des § 242 BGB verneint; es hat zutreffend darauf abgestellt, dass auch das Gesamtverhalten des Mieters im Mietverhältnis bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen zu berücksichtigen sein dürfte. Problematisch erscheint hierbei jedoch, dass sich der Beklagte insofern ein Fehlverhalten vorhalten lassen muss, das die Klägerin offenkundig dazu genutzt hat, eine fristlose Kündigung auszusprechen. Das Landgericht hat insofern nur auf die bloße Möglichkeit der Kündigung abgestellt.

Auch hier zeigt sich wieder deutlich, dass durch die Einbeziehung des § 242 BGB bei der Prüfung der ordentlichen Kündigung ein unüberschaubares Feld an Entscheidungsmöglichkeiten geschaffen worden ist. Die unterschiedlichen Kammern der Landgerichte haben bislang keine einheitliche Linie, an der man sich orientieren kann, gefunden. Es ist somit davon auszugehen, dass in dieser Konstellation eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen, die sich mit der Frage zu beschäftigen haben, ob das Verschulden des Mieters bei einem Zahlungsverzug noch in einem milderen Licht gesehen werden kann oder ob in einer Gesamtschau die Durchsetzung der ordentlichen Kündigung mit den Grundsätzen nach Treu und Glauben vereinbar ist, ergehen wird. Für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hat die durch den BGH eingeleitete Rechtsprechung nicht gesorgt; die Verunsicherung der einzelnen Berufungskammern in Berlin ist den Gerichten auch in den mündlichen Verhandlungen anzumerken.

Es wäre dringend notwendig, dass der Gesetzgeber bezüglich dieser Konstellation eine eindeutige und klare Regelung in das Gesetz aufnimmt, um zu verdeutlichen, ob er die durch die Rechtsprechung begründete Heilungsmöglichkeit der Wirkung der ordentlichen Kündigung für sinnvoll erachtet oder eine solche nicht gewollt hat.