Keine Beschlusskompetenz zur Änderung der Kostenverteilung bei baulicher Veränderung

    • Mietrecht
    • Wohnungseigentumsrecht

LG München I, Urteil vom 23.06.2014, Az. 1 S 13821/13 WEG

§ 16 Abs. 4 WEG gibt keine Beschlusskompetenz, wonach die Eigentümer
die Kostenverteilung für Instandhaltungen und Instandsetzungen dauerhaft ändern können. Notwendig ist hierfür eine Änderung der Teilungserklärung bzw.
Gemeinschaftsordnung.

Sachverhalt

In einer Eigentümerversammlung stellen mehrere Wohnungseigentümer einen Antrag auf Genehmigung des Anbaus eines Außenlifts. Gegenstand des Antrags war unter anderem auch die Bereitschaft der Antragsteller, die Kosten der Errichtung sowie sämtliche weiteren Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten zu übernehmen. Es sollte hierzu eine Aufzugsgemeinschaft errichtet werden. Weitere Eigentümer sollten in den Genuss der Nutzung des Aufzugs über einen Beitritt zur Aufzugsgemeinschaft kommen können, sich aber dann auch an den Kosten beteiligen müssen.

Der Beschlussantrag wurde abgelehnt. Gegen die Ablehnung des Beschlusses wurde die Anfechtungsklage vor dem Amtsgericht erhoben; es wurde ein Antrag auf Verpflichtung der übrigen Miteigentümer zur Zustimmung zum Beschluss gestellt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wandten sich die Kläger mit der Berufung zum Landgericht.

Hintergrund

Der Anbau eines Außenlifts stellt eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar. Um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG handelt es sich dann, wenn eine bauliche Maßnahme vorliegt, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht.

Gemäß § 21 Abs. 4 WEG hat jeder Wohnungseigentümer gegenüber den anderen Wohnungseigentümern einen Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung. Zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung gehören gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG unter anderem auch die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, nicht aber bauliche Maßnahmen, die darüber hinausgehen. Der gesetzlichen Systematik kann daher schon entnommen werden, dass ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Genehmigung des Anbaus eines Außenlifts grundsätzlich nicht besteht.

Andererseits ist zu einer baulichen Veränderung gem. § 22 Abs. 1 WEG nur die Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer erforderlich, die durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinaus beeinträchtigt werden. § 14 Nr. 1 WEG bezeichnet das Maß, welches bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich ist. Die Schwelle des Nachteils im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG wird dabei grundsätzlich niedrig angesetzt; ausreichend soll der nicht ganz unerhebliche Nachteil sein. Der hierdurch zum Ausdruck kommende Schutz des Eigentums erfährt dann aber eine Einschränkung, wenn auf der anderen Seite ebenfalls gewichtige, grundgesetzlich geschützte Güter stehen.

So kann sich zum Beispiel aus dem Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen (Artikel 3 Abs. 3 GG) ein Anspruch auf Zustimmung zu baulichen Veränderungen ergeben, wenn das Interesse des an einer Behinderung leidenden Miteigentümers an der Benutzung der durch eine bauliche Veränderung geschaffenen Einrichtung das Interesse des Eigentümers am Bestand überwiegt. Mit anderen Worten käme im vorliegenden Fall ein Anspruch der Kläger auf Zustimmung zum Anbau des Außenlifts dann in Betracht, wenn dieser aufgrund des Vorliegens von Behinderungen zwingend notwendig wäre.

Gemäß § 16 Abs. 4 WEG können die Wohnungseigentümer im Einzelfall bezüglich der Instandhaltung oder Instandsetzung durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend regeln. Die Verwendung der Wortgruppe „im Einzelfall“ meint dabei nicht die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten im Hinblick auf bestimmte Einrichtungen und Anlagen des gemeinschaftlichen Eigentums. Gemeint ist vielmehr nach der Gesetzesbegründung die Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme selbst.

Entscheidung

Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass es auf die Frage, ob die Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Zustimmung zur Anbringung eines Außenlifts haben, nicht ankäme. Denn aufgrund der Tatsache, dass mit dem Beschluss zugleich geregelt werden sollte, dass die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten des Aufzugs durch einzelne Wohnungseigentümer zu tragen sind, werde in unzulässiger Weise von der gesetzlich geregelten Kostenverteilung abgewichen. Eine solche Abweichung sei nur im Einzelfall, nicht aber in generalisierender Weise möglich. Für einen entsprechenden Beschluss fehle es den Wohnungseigentümern an einer Kompetenz. Er wäre damit nichtig.

Anmerkung

Die Kläger haben leider die Frage der Zustimmung zum Anbau des Außenlifts mit der Frage der abweichenden Kostenverteilung verquickt. Hierdurch war es dem Landgericht möglich, die eigentlich interessante Frage des Falls nicht zu beantworten.

Das Landgericht hat in der Sache völlig richtig darauf hingewiesen, dass es den Wohnungseigentümern nicht möglich ist, mittels eines Beschlusses über künftige Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten zu entscheiden. Diese Frage ist der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer generell entzogen. Hierüber muss eine Vereinbarung getroffen werden.

Jan Hartmann
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsgebiet
Mietrecht
Rechtsgebiet
Wohnungseigentumsrecht