Kosten für Förderunterricht bei einem privaten Lehrinstitut können beim Kindesunterhalt Mehrbedarf sein

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BGH, Beschluss vom 10.07.2013, Az: XII ZB 298/12

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom Juli 2013 entschieden, dass Kosten für den Förderunterricht bei einem privaten Lehrinstitut im Rahmen des Kindesunterhaltes einen sogenannten Mehrbedarf darstellen können, den der Unterhaltspflichtige dann zusätzlich zum regulären Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen hat.

Auch viele Eltern in Berlin, z.B. in Prenzlauer Berg und Pankow oder in Berlin-Mitte sowie Weißensee werden sich fragen, in welcher Höhe Kindesunterhalt genau gezahlt werden muss und welche Bestandteile des Lebensbedarfes eines Kindes gegenüber dem anderen Elternteil geltend gemacht werden können. Hier bietet die aktuelle Entscheidung des BGH zum Kindesunterhalt eine gute Orientierung.

Sachverhalt

Der 1997 geborene Sohn lebt im Fall des Bundesgerichtshofes seit Mai 2010 bei seinem Vater. Der Kindesunterhalt wird gegenüber der Mutter geltend gemacht. Die Mutter arbeitet als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung und ist als Rechtsanwältin zugelassen.

Der Sohn leidet an einer Lese-/Rechtsschreibschwäche und hat im Jahr 2011 bei einem privaten Anbieter eine LRS-Therapie durchgeführt mit Kosten in Höhe von insgesamt 2.304,00 EUR.

Der Antragsteller verlangt nun von der unterhaltspflichtigen Kindesmutter anteilige Therapiekosten in Höhe von 797,04 EUR. Die Anwälte des Antragstellers verlangen diese Kosten zusätzlich zum laufenden Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Die Anwälte der Mutter sind der Meinung, der Antrag sei zurückzuweisen.

Zu den Hintergründen

Wenn ein Elternteil ein Kind nicht schwerpunktmäßig betreut, muss er Kindesunterhalt zahlen. Die Höhe des Kindesunterhaltes richtet sich zunächst nach den durchschnittlichen bereinigten Nettoeinkünften des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Konkret ergibt sich die Höhe des Kindesunterhaltes dann aus der Düsseldorfer Tabelle die nach Alter des Kindes und der Höhe des Nettoeinkommens des unterhaltspflichtigen Elternteils gestaffelt ist. Weitere allgemeine Informationen zum Kindesunterhalten finden Sie hier.

Problematisch ist nun oft, welche Bestandteile des Lebensbedarfes eines Kindes mit den Regelsätzen der Düsseldorfer Tabelle abgegolten sind. Einige Positionen stellen sogenannten Mehrbedarf dar, der dann monatlich laufend zusätzlich zu den Regelbeträgen nach der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen ist.

In einem Urteil vom 26.11.2008 hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass Kindergartenkosten Mehrbedarf darstellen und zusätzlich zu den Beträgen der Düsseldorfer Tabelle gezahlt werden müssen. Ob dies auch für die Betreuung von Kindern in einem Hort gilt wurde vom BGH noch nicht entschieden. Mittlerweile werden Hortkosten jedoch überwiegend als Mehrbedarf anerkannt, so dass diese Kosten ebenfalls zusätzlich zum laufenden Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle gezahlt werden müssen.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob Kosten für einen Förderunterricht bei einem privaten Lehrinstitut als Mehrbedarf anerkannt werden können letztendlich bejaht.

Laut BGH müssen sachliche Gründe dafür vorliegen, dass auch der Besuch einer privaten Bildungseinrichtung noch als angemessen angesehen werden kann. Im vorliegenden Fall hatte der Sohn bereits zwischen der 5. und der 7. Klasse erfolglos Förderungsmaßnahmen in einer staatlichen Einrichtung durchlaufen.

Des Weiteren ging es dann um die Frage in welcher Höhe sich die Kindesmutter an den Kosten für den Förderunterricht beteiligen muss.

Grundsätzlich haften die Kindeseltern für den Mehrbedarf anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen. Dabei sind die durchschnittlichen bereinigten Nettoeinkünfte der Eltern gegenüber zustellen und es ist dann eine Quote zu bilden. Der BGH hebt in dieser Entscheidung noch einmal hervor, dass vor Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte zuvor ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehaltes abzuziehen ist. Der angemessene Selbstbehalt beträgt derzeit 1.200,00 EUR und ist nicht mit dem sogenannten notwendigen Selbstbehalt in Höhe von nur 1.000,00 EUR zu verwechseln.

Schließlich weist der BGH darauf hin, dass bei einer Gegenüberstellung der unterhaltsrelevanten Einkünfte der Kindeseltern beim barunterhaltspflichtigen Elternteil auch der geschuldete laufende Kindesunterhalt (Regelsatz der Düsseldorfer Tabelle) abzuziehen ist. Dies wird dann im Ergebnis zu einer vergleichsweise geringen Haftungsbeteiligung des barunterhaltspflichtigen Elternteils bezüglich des Mehrbedarfes führen.

Den genauen Betrag konnte der BGH noch nicht ausrechnen, da das zuvor mit der Sache befasste Hanseatische Oberlandesgericht noch weitere Ermittlungen anstellen muss. Die Sache wurde an das OLG zurückverwiesen.

Praxishinweis

Viele Eltern, die ein Kind alleine betreuen, übersehen oft, dass der andere Elternteil zusätzlich zum laufenden Kindesunterhalt auch noch den Mehrbedarf zu tragen hat. Im Alltag wird dies vor allem für die Kindergartenkosten oder auch die Kosten für einen Schulhort relevant. Mehrbedarf kann aber auch z. B. aus gesundheitlichen Gründen entstehen. Wenn sich Eltern z. B. auf einen Musikunterricht für die Kinder geeinigt haben, können auch Kosten für den Musikunterricht Mehrbedarf darstellen.

Sebastian Weiß
Fachanwalt für Familien- und Erbrecht
Rechtsgebiet
Familienrecht
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