Kündigung des Mietverhältnisses bei Nichtzahlung erhöhter Betriebskostenvorauszahlungen

    • Mietrecht
    • Wohnungseigentumsrecht

BGH, Urteil vom 18.07.2012, VII ZR 1/11

Kommt der Mieter mit der Zahlung von durch den Vermieter nach § 560 Abs. 4 BGB einseitig erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen in Verzug, ist eine darauf gestützte fristlose Kündigung wirksam, auch wenn der Mieter vor Ausspruch der Kündigung nicht auf Zahlung der erhöhten Betriebskosten gerichtlich in Anspruch genommen wurde.

Sachverhalt

Die Mieter zahlte nach entsprechenden Anpassungen der Betriebskostenvorauszahlungen im Rahmen von Betriebskostenabrechnungen insofern erhöhte Betriebskostenvorauszahlungen nicht. Nach ca. zwei Jahren war dadurch ein Zahlungsrückstand eingetreten, der das Zweifache einer Monatsmiete überstieg. Aus diesem Grund kündigte der Vermieter das Mietverhältnis außerordentlich und fristlos. Der Mieter hatte zu keiner Zeit Einsicht in die Berechnungsunterlagen, die den Betriebskostenabrechnungen zugrunde lagen, genommen. Auch ein Widerspruch gegen die Betriebskostenabrechnung lag nicht vor.

Hintergrund

Dass Erhöhungsbeträge nach § 560 Abs. 4 BGB Mietzins darstellen, ist unstrittig. Strittig ist jedoch die Reichweite der Vorschrift des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB, der wörtlich lautet:

„Ist der Mieter rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 verurteilt worden, so kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind.“

Der BGH hatte zu entscheiden, ob sich aus dieser Norm ableiten lässt, dass der Vermieter wegen der erhöhungsbedingten Rückstände erst kündigen kann, wenn der Mieter rechtskräftig zur Zahlung der erhöhten Betriebskosten oder Vorauszahlungen verurteilt ist. In einem solchen Fall wäre der Vermieter also gezwungen, vor Ausspruch einer Kündigung Zahlungsklage zu erheben. Darüber hinaus könnte er erst nach Ablauf der in § 569 BGB normierten Kündigungssperrfrist die Kündigung wegen Zahlungsverzug zwei Monate nach Rechtskraft aussprechen.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH folgt einer anderen Auslegung der Norm und orientiert sich streng am Wortlaut der Vorschrift. Der BGH sieht die rechtskräftige Verurteilung des Mieters nur als Voraussetzung für die dort geregelte Sperrfrist an. Eine rechtskräftige Verurteilung sei nicht Voraussetzung für die Kündigung wegen Zahlungsverzug für Mietzins, der nicht streitbefangen ist.

Im Wesentlichen argumentiert das Gericht neben der engen Wortlaut-Auslegung mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Kündigungssperrfrist sollte lediglich die Fälle mieterschutzrechtlich abdecken, in denen es zwischen Vermieter und Mieter ein Verfahren über Mieterhöhungen gibt. Es sollte sozusagen ein Burgfrieden im Hinblick auf die streitgegenständlichen Erhöhungsbeträge statuiert werden. Im Übrigen sei der Mieter genügend geschützt, da eine Kündigung des Vermieters, die auf Rückstände aus nicht gezahlten Betriebskostenvorauszahlungserhöhungen beruht, nur dann durchgreift, wenn er diese Anpassung auch vornehmen durfte. Mit anderen Worten: Der Vermieter geht das Risiko ein, bei einer nicht korrekten Abrechnung mit der Kündigung zu scheitern. Der Mieter könne in einer solchen Situation durch Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nachprüfen, ob die Anpassung gerechtfertigt ist. Das eröffnet ihm die Möglichkeit, das Prozessrisiko für eine Räumungsklage einzuschätzen.

Anmerkungen

Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie zum einen eine konsequente Anwendung des Gesetzeswortlauts bestätigt und durch die höchstrichterliche Entscheidung Rechtssicherheit für die Praxis hergestellt worden ist.

Für die Praxis der Verwaltungen muss natürlich beachtet werden, dass bei einer Kündigung, die auf nicht gezahlten Betriebskostenvorauszahlungen beruht, deren Erhöhungsbeträge auf einer korrekten Abrechnung fußen müssen. Günstigerweise sollte man hierbei die Einwendungsausschlussfrist für Einwendungen des Mieters gegen die Betriebskostenabrechnung verstreichen lassen, um das Thema „in trockenen Tüchern“ zu haben.

In Fällen, in denen Streit über die ordnungsgemäße Abrechnung der Betriebskosten zwischen den Mietvertragsparteien besteht, muss sehr sorgfältig geprüft werden, ob eine Kündigung ausgesprochen wird. Sollte der Mieter Einsicht in die Abrechnungsunterlagen verlangen, ist diese Einsicht natürlich zu gewähren, denn allein die Verweigerung der Einsichtnahme würde ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters begründen und eine Kündigung ausschließen.

Andererseits dürfte die Entscheidung des BGH dazu führen, dass Mieter nicht mehr allzu lax mit der Zahlung bzw. Nichtzahlung von erhöhten Betriebskostenvorauszahlungen umgehen. Die insofern festzustellende Sorglosigkeit vieler Mieter dürfte nach und nach der Vorsicht weichen.

Der hiesige Fall wurde in I. Instanz am Amtsgericht Königs Wusterhausen und in der II. Instanz am Landgericht Potsdam entschieden. Insbesondere aus den Gerichtsbezirken Berlin-Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Pankow und Weißensee sind uns zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle bekannt. Die Berufungskammern am Landgericht Berlin-Mitte (Littenstraße) hatten sich in der Vergangenheit wiederholt mit dem Thema auseinandergesetzt. Hier divergierten die Rechtsansichten der Kammern, es zeichnete sich aber die Linie der Entscheidung des BGH bereits ab.

Tilo Krause
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsgebiet
Mietrecht
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Wohnungseigentumsrecht