Vielen Arbeitnehmern in Berlin ist das Problem bekannt: Über viele Jahre haben sie ihre Arbeitsleistung ordentlich erbracht und erhalten dann schließlich doch eine Kündigung, ohne dass für sie ein Grund ersichtlich ist. Wollen sie sich dann mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine solche Kündigung wehren, sei es, um das Arbeitsverhältnis fortsetzen zu können, sei es, um zumindest eine Abfindung für sich herauszuholen, müssen die Arbeitnehmer aus sogenannten Kleinbetrieben, es handelt sich hierbei um Betriebe mit maximal zehn Arbeitnehmern, feststellen, dass ihnen hier das Recht nicht zur Seite steht. Denn das Recht zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage steht nach dem Kündigungsschutzgesetz nur Arbeitnehmern zu, die länger als sechs Monate bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt waren, und zwar in Betrieben, in denen mehr als zehn Arbeitnehmer angestellt sind. Arbeitnehmer aus Kleinbetrieben gehen in diesem Fall also leer aus.
Für diesen Personenkreis hat das BAG in seiner Entscheidung vom 24.01.2013 den Schutzbereich allerdings etwas erweitert. Es hat nämlich festgestellt, dass bei der Bestimmung der Betriebsgröße im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.
Prinzipiell sind Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Anzahl der im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht in einem Arbeitsverhältnis zu dem Entleiherbetrieb stehen, sondern bei dem Verleiher beschäftigt sind, also der Zeitarbeitsfirma.
Das BVerfG hatte die Kleinbetriebsklausel in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1998 für wirksam erklärt und damit begründet, dass in Kleinbetrieben regelmäßig eine enge persönliche Zusammenarbeit stattfindet, dass Kleinbetriebe aufgrund ihrer geringeren Finanzausstattung in der Regel nicht in der Lage sind, Abfindungen bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen, sie nicht in der Lage sind, weniger leistungsfähiges, weniger benötigtes oder auch nur weniger genehmes Personal mitzutragen und dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen belastet.
Daran anknüpfend, hat das BAG nunmehr festgestellt, dass diese Gründe dann nicht mehr greifen, wenn der Arbeitgeber zwar nicht mehr als zehn eigene Arbeitnehmer, darüber hinaus aber noch regelmäßig Leiharbeitnehmer beschäftigt. Das BAG hat ausgeführt, dass der Grad der persönlichen Zusammenarbeit, die Finanzausstattung des Betriebes und dessen Belastbarkeit durch erhöhten Verwaltungsaufwand nicht davon abhängen, ob der Arbeitgeber regelmäßigen Beschäftigungsbedarf durch eigene Arbeitnehmer oder durch Leiharbeitnehmer abdeckt. Es macht für die Bestimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Entleihers keinen Unterschied, ob die Arbeitsplätze mit eigenen Arbeitnehmern oder mit Leiharbeitnehmern besetzt werden. Leiharbeitnehmer unterliegen, wie eigene Arbeitnehmer, dem Weisungsrecht des Entleihers. Durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern entstehen vergleichbare Personalkosten. Die enge persönliche Zusammenarbeit wird immer mehr aufgeweicht; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebes steigt.
Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, bei der Bestimmung der Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter auch regelmäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer mitzuzählen.
Hinweis
Arbeitnehmer, auch in den Bezirken Prenzlauer Berg und Berlin Mitte sowie Friedrichshain oder Weißensee, die von einer Kündigung betroffen sind, sollten sich also bei der Prüfung ihres Kündigungsschutzes nicht darauf beschränken, nur nachzuzählen, wie viele eigene Arbeitnehmer der Arbeitgeber regelmäßig beschäftigt. Sie sollten auch prüfen, ob und in welchem Umfang regelmäßig Leiharbeitnehmer beschäftigt werden. Es wird viele Fälle geben, in denen diese Zusammenrechnung ergibt, dass der von einer Kündigung betroffene Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt und eine Kündigungsschutzklage erfolgreich wäre.