Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Restwerklohn für Bodenbelagsarbeiten in Höhe von 6.783,00 EUR in Anspruch. Die Beklagte erklärt die Aufrechnung mit Mängelansprüchen; insoweit behauptet sie Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 8.211,00 EUR. Wegen des überschießenden Betrages in Höhe von 1.428,00 EUR erhebt die Beklagte Widerklage.
Was war passiert?
Die Beklagte hatte gegenüber der Klägerin Mängel gerügt. Angeblich hätten sich die Kellenschläge außerhalb der Ebenheitstoleranzen befunden. Die Beklagte forderte von der Klägerin den kompletten Rückbau des Bodenbelages.
Die Klägerin machte demgegenüber geltend, dass nur bei starkem Lichteinfall zu sehende Kellenschläge nicht dazu berechtigen würden, den kompletten Rückbau des Bodenbelags zu verlangen.
Die Beklagte beharrte auf ihrer Forderung. Zugleich teilte sie mit, dass sie den vollständigen Austausch des Bodens durch ein Drittunternehmen bereits auf Kosten der Klägerin in die Wege geleitet habe.
Die Klägerin entgegnete, dass die Einleitung eines gerichtlichen Beweissicherungsverfahrens notwendig sei, in welchem zu klären sei, ob hier ein Mangel besteht.
Anschließend kam es zu mehreren Telefonaten, in denen die Klägerin der Beklagten Vergleichsangebote unterbreitete, die diese aber ablehnte.
Die Beklagte stellte sich gegenüber der Klägerin auf den Standpunkt, diese habe eine Nacherfüllung bereits endgültig abgelehnt, und wies nochmals auf von ihr bereits beauftragte „Austauscharbeiten“ hin. Tatsächlich ließ die Beklagte den Bodenbelag sodann anderweitig austauschen.
Die Klägerin erklärte, dass sie die Mängel nur nach einer gerichtlichen Klärung akzeptieren werde, und wies darauf hin, dass im Falle einer Ersatzvornahme vor Abschluss der Beweissicherung eine Beweisvereitelung vorläge. Sie holte Rat bei einem Sachverständigen ein und bot die von diesem vorgeschlagenen Maßnahmen der Beklagten an.
Die Beklagte unterbreitete der Klägerin daraufhin ein Vergleichsangebot auf Basis der Hälfte der angeblichen Mängelbeseitigungskosten (Abzug in Höhe von 3.500,00 EUR).
Die Klägerin lehnte dies ab und erhob Klage auf Zahlung des vollen Werklohns. Im Prozess bestritt die Klägerin die Mängelvorwürfe.
Das Landgericht gab der Klage vollständig statt und wies die Widerklage ab. Das Landgericht meint, der Beklagten stünden keine Mängelansprüche zu, und begründet das damit, dass es an der gemäß §§ 634, 637 BGB erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung mangelt, sodass die Mangelhaftigkeit der Bodenbelagsarbeiten dahinstehen könne. Die Beklagte legte hiergegen Berufung ein.
Entscheidung
Erfolglos! Das Oberlandesgericht bestätigt die Entscheidung des Landgerichts.
Es mangele an einer ordnungsgemäßen Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Die Fristsetzung sei auch mangels ernsthafter und endgültiger Verweigerung der Nacherfüllung seitens der Klägerin nicht entbehrlich gewesen.
An die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Auftragnehmer seien strenge Anforderungen zu stellen.
Eine endgültige Verweigerung der Nacherfüllung liege nicht bereits ohne weiteres in dem Bestreiten von Mängeln, denn das Bestreiten von Mängeln sei prozessuales Recht des Unternehmers. Dies gelte jedenfalls solange, wie seine Verteidigung - unter Berücksichtigung des versprochenen Werkerfolgs bzw. des konkreten Mangeleinwandes - nicht „aus der Luft gegriffen“ bzw. dem Auftragnehmer deren Haltlosigkeit - etwa mit Hilfe eines Sachverständigen - einsichtig gemacht worden sei.
Vielmehr müssten zu dem bloßen Bestreiten von Mängeln durch den Auftragnehmer weitere Umstände hinzutreten, insbesondere müsse der Auftragnehmer eindeutig zum Ausdruck bringen, er werde seinen Vertragspflichten nicht nachkommen, und es müsse daher als ausgeschlossen erscheinen, dass er sich von einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung noch umstimmen lässt.
Die Annahme einer ernsthaften und endgültigen (Nach-)Erfüllungsverweigerung seitens des Auftragnehmers setze zudem regelmäßig voraus, dass der Auftraggeber ihn überhaupt zunächst mit dem notwendigen Inhalt (insbesondere ohne unzulässige Bedingungen bzw. Einschränkungen) zur Nacherfüllung aufgefordert hat. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich dem Unternehmer überlassen bleibt, in welchem Umfang und auf welche konkrete Weise er einen Baumangel beseitigen will. Da er das Risiko seiner Arbeit trägt und die Gewähr für den Werkerfolg hat, müsse er grundsätzlich auch alleine entscheiden können, auf welche Weise er vom Auftraggeber behauptete Mangelerscheinungen und deren Ursachen dauerhaft beseitigen will.
Vorliegend – so das OLG Düsseldorf – habe die Klägerin nicht jede Prüfung des behaupteten Mangels von sich gewiesen, sondern diesen durch einen Sachverständigen überprüfen lassen und die insoweit vorgeschlagenen Maßnahmen der Beklagten angeboten. Eine Nachfristsetzung wäre daher keine „reine Förmelei“ gewesen.
Vielmehr habe die Beklagte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie von der Klägerin jedenfalls keine Nacherfüllung in natura mehr verlangt hat, sondern nur noch Geld- bzw. Schadensersatz. Verlangt der Auftraggeber indes ausdrücklich keine Nacherfüllung mehr, kann dementsprechend denknotwendig auch deren ernsthafte und endgültige Verweigerung durch den Auftragnehmer nicht angenommen werden.
Eine vollständige Verweigerungshaltung der Klägerin lasse sich insbesondere im Falle eines Bemühens um eine gütliche Einigung und der damit verbundenen „Gesprächsbereitschaft“ nicht entnehmen, erst recht keine ernsthafte und endgültige Verweigerung einer Nacherfüllung. Wer ernsthaft Verhandlungen über Streitpunkte anbietet, bringe damit regelmäßig sein ernsthaftes Interesse an einer Fortsetzung der vertraglichen Zusammenarbeit (insbesondere einer Nacherfüllung) zum Ausdruck.
Jedenfalls nachdem die Beklagte selbst ein Vergleichsangebot unterbreitet hat, habe es ihr oblegen, vor einem kompletten Austausch des streitgegenständlichen Bodenbelags durch eine Drittfirma die Klägerin erneut zur Nacherfüllung aufzufordern und deren Reaktion abzuwarten.
Die Erhebung der Klage auf Zahlung des gesamten Restwerklohns könne schon deswegen keine Erfüllungsverweigerung seitens der Klägerin beinhalten, weil die Beklagte zu diesem Zeitpunkt den Bodenbelag anderweitig habe austauschen lassen, sodass sie der Klägerin damit die Möglichkeit einer Nacherfüllung genommen habe und eine Verweigerung einer (nicht mehr verlangten) Nacherfüllung damit denknotwendig ausscheide.
Eine zur Frage der etwaigen Mangelhaftigkeit der Werkleistungen der Klägerin notwendige Beweisaufnahme durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens wäre infolge der von der Beklagten bereits veranlassten Arbeiten ohnehin vereitelt worden.
Anmerkung
Beseitigt der Auftraggeber einer Werkleistung von ihm behauptete Mängel der Werkleistung selbst, ohne dem Werkunternehmer zuvor eine erforderliche hinreichende Möglichkeit zur etwaig erforderlichen Nacherfüllung gegeben zu haben, ist er mit diesbezüglichen Gewährleistungs- bzw. Ersatzansprüchen aus allen dafür ggf. in Betracht kommenden Rechtsgründen ausgeschlossen.
In der Baupraxis wird der Werkunternehmer oft vorschnell „vom Hof gejagt“. Dann besteht die Gefahr, auf den Kosten der Mangelbeseitigung sitzen zu bleiben. Grundsätzlich ist dem Auftragnehmer die Möglichkeit einzuräumen, den Mangel selbst zu beseitigen. Dabei müssen die Formalien eingehalten werden. Nur im Ausnahmefall kann eine Fristsetzung entbehrlich sein. Diese Ausnahme wird von vielen am Bau Beteiligten leider oftmals zur Regel gemacht.