Ordentliche Kündigung des Wohnraummietverhältnisses nach Neueinführung von Betriebskostenvorauszahlungen

    • Mietrecht
    • Wohnungseigentumsrecht

BGH, Urteil vom 10.10.2012, Aktenzeichen VIII ZR 197/12

Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wonach der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzug nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung des Mieters zur Zahlung der erhöhten Miete kündigen darf, ist auf die ordentliche Kündigung nicht anwendbar.

Sachverhalt

Die Wohnung des Mieters wurde an die Fernwärmeversorgung angeschlossen. Ab März 2008 verlangte deshalb die Vermieterin neben der Grundmiete Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 70,00 EUR. Der Mieter zahlte die Heizkostenvorauszahlungen zunächst nicht. Erste Zahlungen erfolgten ab Mai 2009.

Mit Schreiben vom 05.10.2009 kündigte die anwaltlich vertretene Vermieterin das Mietverhältnis fristgemäß, weil der Beklagte die Heizkostenvorauszahlungen für die Monate März 2008 bis April 2009 nicht gezahlt hatte. Ferner führte sie einen Zahlungsprozess gegen den Beklagten, in dessen Rahmen dieser am 15.11.2010 zur Zahlung verurteilt wurde. Die rückständigen Betriebskostenvorauszahlungen wurden daraufhin durch den Mieter erbracht.

Mit Schreiben vom 12.11.2010 kündigte die Klägerin erneut fristgemäß, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt die Miete für den Monat November 2010 noch nicht gezahlt hatte.

Nachdem der Mieter die Wohnung nicht räumte, hat die Vermieterin die Räumungsklage vor dem Amtsgericht erhoben.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Mieters zurückgewiesen. Hiergegen wandte sich der Mieter mit der Revision zum Bundesgerichtshof.

Hintergrund

Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB ist die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses möglich, wenn sich der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug befindet. Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt.

Aus diesem Grund konnte die Vermieterin mit Schreiben vom 12.11.2010 lediglich fristgemäß kündigen. Denn zu diesem Zeitpunkt war lediglich eine Monatsmiete rückständig.

Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzug des Mieters nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung des Mieters zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 BGB kündigen. Dem Verweis auf die §§ 558 bis 560 BGB ist dabei zu entnehmen, dass hier nur die Fälle gemeint sind, in denen es um Rückstände geht, die aufgrund eines Streites über Mieterhöhungen entstanden sind.

Zu Beachten ist, dass § 569 Abs. 3 BGB durch folgenden Halbsatz eingeleitet wird:

„Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gilt:“

Dieser Einleitung ist zu entnehmen, dass sich die nachfolgenden Regelungen ausschließlich auf die in § 543 BGB geregelte außerordentliche Kündigung, nicht aber auf die in § 573 BGB geregelte ordentliche Kündigung beziehen.

Die Entscheidung des BGH

Die Revision war im Ergebnis erfolglos.

Zunächst jedoch wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die Kündigung vom 12.11.2010 unwirksam gewesen wäre. Denn eine zur ordentlichen Kündigung berechtigende nicht unerhebliche Pflichtverletzung liege dann noch nicht vor, wenn der zur Kündigung herangezogene Rückstand eine Monatsmiete nicht übersteige und die Verzugsdauer weniger als einen Monat betrage.

Wirksam war jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die Kündigung vom 05.10.2009. Diese Kündigung wurde wegen Mietrückständen in Höhe von mehr als einer Monatsmiete und wegen einer Verzugsdauer von mehr als einem Monat ausgesprochen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes helfe es dem Mieter auch nicht, dass die Kündigung noch vor Rechtskraft des gegen ihn erwirkten Zahlungsurteils ausgesprochen worden ist. Denn die Regelung in § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB beziehe sich lediglich auf die außerordentliche Kündigung.

Es käme auch keine analoge Anwendung dieser Vorschrift in Betracht. Denn Voraussetzung hierfür sei eine planwidrige Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe jedoch im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 die Problematik gekannt und gleichwohl keine Regelung im Hinblick auf die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nach Erhöhung von Nebenkostenvorauszahlungen getroffen.

Anmerkung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bringt gleich an zwei Stellen wichtige Erkenntnisse.

Zum einen kann man sich fortan auf die Entscheidung des Senats stützen, wenn man eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses auf einen Rückstand in Höhe von nur wenig mehr als einer Monatsmiete stützen möchte. Ferner kann künftig Berücksichtigung finden, dass der zur Kündigung heranzuziehende Rückstand mehr als einen Monat lang bestanden haben muss.

Zudem steht nach der Entscheidung des Senats nunmehr fest, dass unmittelbar im Anschluss oder auch während eines Rechtsstreits über die Schuld von neuen oder höheren Nebenkostenvorauszahlungen zwar nicht die außerordentliche, wohl aber die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses in Betracht gezogen werden kann.

Jan Hartmann
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsgebiet
Mietrecht
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Wohnungseigentumsrecht