- Der Vermieter, der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsabschluss nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist in diesen Fällen wegen Rechtsmissbrauch unwirksam (Bestätigung BGH, Urteil vom 21.01.2009, VIII ZR 62/08, GE 2009, 575; Beschluss vom 06.07.2010, VIII ZR 180/09, WuM 2010, 512 = GE 2010, 1418).
- Der Vermieter ist weder verpflichtet, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sogenannte „Bedarfsvorschau“) noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten (Fortführung BGH, Urteil vom 20.03.2013, VIII ZR 233/12, GE 2013, 674).
- Daher liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt und das Entstehen dieses Eigenbedarfs für ihn zwar im Rahmen einer „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen wäre, er jedoch bei Vertragsabschluss eine solche Kündigung nicht zumindest erwogen hat.
- Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn der Vermieter anlässlich des Vertragsabschlusses von sich aus oder auf Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung der Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht hat (Fortführung BGH, Urteil vom 20.03.2013, VIII ZR 233/12, NJW 2013, 1596 = GE 2013, 674).
Sachverhalt (verkürzt)
Das Mietverhältnis wurde im Mai 2011 begründet. Zu diesem Zeitpunkt war die Tochter des Vermieters (der spätere Eigenbedarfsgrund) noch Abiturientin. Sie ging im Juni 2012 – nach dem Abitur - für ein Jahr ins Ausland (bis Juli 2013). Unter Berufung auf den Eigenbedarf durch die Tochter kündigte der Vermieter das Mietverhältnis im Februar 2013.
Entscheidung
Das Landgericht hatte die in erster Instanz erfolgreiche Räumungsklage mit dem Argument zu Fall gebracht, dass diese rechtsmissbräuchlich sei, weil der Vermieter seinen Eigenbedarf „bei vorausschauender Planung aufgrund hinreichend konkreter Anhaltspunkte hätte in Erwägung ziehen müssen“ und dies dem Mieter hätte mitteilen müssen.
Dieser sehr weiten „Bedarfsvorschau“ schließt sich der Bundesgerichtshof nicht an. Nach Darstellung aller Meinungsstände in Literatur und der Instanzenrechtsprechung vertritt er folgenden Standpunkt:
Ein (kündigungsschädliches) widersprüchliches Verhalten bei Vertragsschluss nimmt der Bundesgerichtshof nicht schon dann an, wenn der Vermieter hätte erkennen können, dass er die Wohnung alsbald benötigt. Vielmehr muss der Vermieter „entschlossen“ sein oder „ernsthaft in Erwägung“ ziehen, den Wohnraum einer eigenen Nutzung zuzuführen.
Nur durch das Erfordernis dieses „subjektiven Elementes“ sei rechtsdogmatisch ein Rechtsmissbrauch abzuleiten.
Anmerkung
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes beendet die Roadshow der Billigkeitserwägungen durch die Instanzengerichte. Ab sofort genügt es eben nicht mehr, dass sich ein Bedarfsfall „hätte aufdrängen müssen“ oder „erkennbar sein müssen“. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt eben nicht schon dann vor, wenn der Vermieter einen sich „mehr oder minder abzeichnenden künftigen Eigenbedarf nicht in Betracht zieht“.
Die Entscheidung ist richtig, weil sie den allgemeingültigen Missbrauchstatbestand auf die Fälle der Eigenbedarfskündigung rechtsdogmatisch korrekt überträgt. Damit ist die Eigenbedarfskündigung wieder auf Fälle erstreckbar, bei denen die (vielleicht erkennbaren, aber zunächst nicht eintretenden) Wechselfälle des Lebens nicht zu Fallstricken werden.
Steht indes bei Vertragsabschluss fest, dass alsbald Eigenbedarf gewollt eintreten wird und dies auch bekannt ist, sollte der Mieter ausdrücklich über die Möglichkeit dieser Entwicklung schriftlich aufgeklärt werden. Diese Fälle dürften relativ selten auftreten.