Überschreitung des Wohngebrauchs durch freiberufliche Erteilung von Gitarrenunterricht

BGH, Urteil vom 10.04.2013, Az. VIII ZR 213/12

Der Kläger ist der Vermieter des Beklagten. Der Beklagte ist im Jahr 2006 in die Wohnung seiner Mutter eingezogen, um diese zu pflegen. Der Beklagte war als Musiklehrer für Gitarre an einer Musikschule tätig. Da er diese Tätigkeit aufgrund der Pflege seiner Mutter nicht mehr voll ausüben konnte, gab er fortan in der Wohnung Gitarrenunterricht. Eine Erlaubnis holte der Beklagte für diese Tätigkeit nicht ein.

Nach dem Tod seiner Mutter erklärte der Beklagte den Eintritt in das Mietverhältnis. Der Kläger kündigte daraufhin das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 4 BGB außerordentlich und stützte die Kündigung auf den Umstand, dass der Beklagte seit mehreren Jahren ohne Erlaubnis in der Wohnung Musikunterricht gebe und daher die Wohnung gewerblich nutze. Zudem sei es infolge des Musikunterrichts zu erheblichen Störungen des Hausfriedens gekommen.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Räumung verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

Hintergrund

§ 563 Abs. 4 BGB gewährt dem Vermieter das Recht, die außerordentliche Kündigung gegenüber dem eintretenden Mieter auszusprechen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt.

Eine vertragswidrige Nutzung einer Mietsache muss der Vermieter nur dann dulden, wenn von der beabsichtigten Tätigkeit keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder auf Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung.

Entscheidung

Der BGH hat die Urteile des Amtsgerichts und des Landgerichts bestätigt: Das Landgericht habe zutreffend ausgeführt, dass in der Person des Beklagten ein wichtiger Grund zu sehen sei, der zur Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB berechtige.

Rechtsfehlerfrei habe das Landgericht festgestellt, dass die Nutzung der Wohnung zur Erteilung von gewerblichem Gitarrenunterricht nicht mehr als übliche Wohnnutzung angesehen werden könne. Der Beklagte habe daher die Erlaubnis des Klägers benötigt, um seine Tätigkeit weiterhin ausüben zu können. Der Kläger habe diese Erlaubnis zulässigerweise verweigert und den Beklagten mehrfach aufgefordert, den Musikunterricht einzustellen.

Die Tätigkeit des Beklagten entfaltete erhebliche Außenwirkung, da der Beklagte an drei Tagen in der Woche zehn bis zwölf Schülern Gitarrenunterricht erteilte. Es liegt daher eine geschäftliche Aktivität mit Publikumsverkehr vor, die durch den Kläger nicht hingenommen werden muss.

Bereits dieser Umstand war für den BGH ausreichend, um die Kündigung des Beklagten zu bestätigen, sodass es auf die Frage, ob es darüber hinaus durch die Musik zu Störungen des Hausfriedens gekommen ist, nicht ankam.

Der BGH hat unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung jedoch nochmals ausgeführt, dass bei einer nichtstörenden freiberuflichen Nutzung eines Teils der Mietsache den Vermieter aus Treu und Glauben die Pflicht treffen könne, eine solche Nutzung auch entgegen vertraglicher Regelungen zu gestatten.

Anmerkung

Die Entscheidung des BGH verdient Zustimmung. Bei regelmäßigem Publikumsverkehr liegt es auf der Hand, dass der ursprüngliche Nutzungszweck überschritten wird und dieser daher nur bei ausdrücklicher Erlaubnis des Vermieters hinzunehmen ist. Der BGH bleibt somit seiner Linie treu und lässt eine teilgewerbliche Nutzung von Wohnraum nur in sehr engen Grenzen zu, sofern keine vertragliche Vereinbarung vorliegt.