Was ist Kurzarbeit?
Kurzarbeit bedeutet die vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit in einem Betrieb aufgrund einer schlechten Auftragslage. Um Kündigungen zu vermeiden, nehmen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen der Kurzarbeit vorübergehende Lohneinbußen in Kauf. Dies ist in der gegenwärtigen Krisensituation auch in Berlin häufig der Fall.
Auswirkungen der Kurzarbeit auf Unterhaltsansprüche
In der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich eine substantielle Verringerung des Einkommens eines Unterhaltsschuldners durch Kurzarbeit auf die Höhe von Unterhaltsansprüchen auswirken kann. Eine Kürzung von Unterhaltszahlungen in der Coronakrise ist also grundsätzlich möglich.
Es wird im Einzelfall aber darauf ankommen, ob die Kurzarbeit nur für einen vorübergehenden Zeitraum (z. B. 1 bis 3 Monate) oder länger vereinbart wird. Bei einem kurzen Zeitraum und einer nur kurzfristigen Einkommensreduzierung werden die Gerichte eher davon ausgehen, dass ein Unterhaltsschuldner dies einplanen bzw. hinnehmen muss.
Kindesunterhalt
Beim Kindesunterhalt ist allerdings zu beachten, dass den Unterhaltsschuldner sogenannte gesteigerte Erwerbsobliegenheiten treffen. Ein Unterhaltsschuldner muss beim Kindesunterhalt alle verfügbaren Mittel einsetzen, um zumindest den Mindestunterhalt (100 % nach der Düsseldorfer Tabelle) sicherzustellen. Dies kann z. B. heißen, dass ein Unterhaltsschuldner neben dem Job, der von der Kurzarbeit betroffen ist, eine Nebentätigkeit ausübt. Während der aktuellen Coronaepidemie und dem damit verbundenen Stillstand des Arbeitsmarkts dürfte die Aufnahme einer Nebentätigkeit derzeit jedoch unrealistisch sein. Dies dürfte auch für Berlin gelten.
Einem Unterhaltsschuldner muss für den eigenen Lebensunterhalt der sogenannte Selbstbehalt verbleiben. Gegenüber minderjährigen Kindern sowie gegenüber volljährigen Kindern (bis 21), die noch die Schule besuchen und bei einem Elternteil leben, beläuft sich der Selbstbehalt bei nicht Erwerbstätigen auf monatlich 960 EUR und bei Erwerbstätigen auf monatlich 1.160 EUR. Gegenüber volljährigen Kindern (z. B. Studierenden) beträgt der Selbstbehalt monatlich 1.400 EUR. Soweit die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen durch Kurzarbeit unter den Selbstbehalt rutschen, ist auch eine (anteilige) Kürzung des Unterhalts möglich.
Bei höheren Einkünften ist die Dynamik der Düsseldorfer Tabelle zu beachten. Die Höhe des Kindesunterhalts hängt vom Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen ab. Die Düsseldorf Tabelle ist nach zehn Einkommensgruppen gestaffelt. Soweit sich durch Kurzarbeit die unterhaltsrelevanten Einkünfte entsprechend verringern und eine niedrigere Einkommensgruppe erreicht wird, ist auch eine entsprechende Kürzung des Kindesunterhalts möglich.
Soweit ein Unterhaltspflichtiger aufgrund der Kurzarbeit seine Unterhaltszahlungen einstellt, besteht für den das Kind betreuenden Elternteil die Möglichkeit, bei der zuständigen Unterhaltsvorschussstelle (Jugendamt) einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss zu stellen. Für Kinder von 0 bis 5 Jahren beträgt der Unterhaltsvorschuss aktuell bis zu 165 EUR, für Kinder von 6 bis 11 Jahren bis zu 220 EUR und für Kinder von 12 bis 17 Jahren bis zu 293 EUR.
Ehegattenunterhalt
Beim Ehegattenunterhalt ist eine Kürzung der Unterhaltsansprüche wegen Kurzarbeit ebenfalls anerkannt. Auch hier ist der Selbstbehalt eines Unterhaltsschuldners zu beachten. Beim nicht Erwerbstätigen beträgt der Selbstbehalt derzeit monatlich 1.180 EUR und beim Erwerbstätigen monatlich 1.280 EUR. Bei höheren Einkünften kommt eine anteilige Kürzung des Ehegattenunterhalts in Betracht.
Abänderung des Unterhalts
In der aktuellen Coronakrise sollten Sie als von Kurzarbeit Betroffener zunächst versuchen, mit dem Unterhaltsgläubiger (Kind bzw. anderer Elternteil, Ehegatte) ins Gespräch zu kommen und eine vorübergehende Reduzierung des Unterhalts zu erreichen.
Soweit sich eine gütliche Lösung nicht erreichen lässt und der Unterhaltsgläubiger über einen vollstreckbaren Titel verfügt (Jugendamtsurkunde, gerichtlicher Vergleich, gerichtlicher Beschluss oder Urteil), kann die Situation jedoch ernst werden. Der Unterhaltsgläubiger könnte dann den Unterhalt vollstrecken und insofern auf Gehälter oder auch Konten zugreifen.
Um sich dagegen zu schützen, kann grundsätzlich beim zuständigen Familiengericht ein Abänderungsantrag verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt werden. Da während der derzeitigen Coronaepidemie jedoch faktisch bei den Gerichten keine mündlichen Verhandlungen stattfinden, ist kurzfristiger Rechtsschutz problematisch. Ein Ausweg bietet hier allenfalls ein gerichtliches Eilverfahren (einstweilige Anordnung), bei dem die Familiengerichte auch ohne mündliche Verhandlung vorläufige Regelungen erlassen können.
Sollten Sie weitergehende Fragen zu Unterhaltsansprüchen in der Coronakrise haben, steht Ihnen unser Fachanwalt für Familienrecht Sebastian Weiß zur Verfügung.