Ein Vorkaufsrecht des Mieters entsteht bei dem Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten ungeteilten Grundstücks nur, wenn sich der Veräußerer zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und die von dem Vorkaufsrecht erfasste Wohnung in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt ist. Sollen erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen, genügt dies in der Regel nicht; auch dann nicht, wenn diese beabsichtigen, die neu geschaffenen Wohnungseigentumseinheiten selbst zu nutzen.
Sachverhalt
Die Beklagte war Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Eine der in dem Gebäude vorhandenen Wohnungen vermietete sie an die Klägerin. Später verkaufte sie den ungeteilten Grundbesitz an drei Erwerber. Diese ließen noch am gleichen Tag und bei dem gleichen Notar eine Teilungsvereinbarung gemäß WEG beurkunden. Nach Eigentumsumschreibung auf die Neuerwerber erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass sie ihr „Vorkaufsrecht“ ausübe. Mit der Klage begehrt sie nunmehr festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Kaufvertrag über die von ihr angemietete Wohneinheit zustande gekommen ist.
Entscheidung
Der BGH verneint ein Vorkaufsrecht der Klägerin gemäß § 577 Abs. 1 S. 1 BGB. Hiernach ist ein Mieter zum Vorkauf berechtigt, wenn zeitlich nach Anmietung der Wohnräume an diesen durch Teilung Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll und dieses Wohnungseigentum im Anschluss an einen Dritten veräußert wird. Zwar seien der Klägerin vorliegend die Wohnräume im Zeitpunkt des Verkaufs als Mieterin überlassen worden. Das Wohnungseigentum sei jedoch erst nach dem Verkauf begründet worden. Hierdurch scheide ein Vorkaufsrecht nach der 1. Alternative („[…] Wohnungseigentum begründet worden ist […]“) aus. Nach Auffassung des BGH lägen auch die Voraussetzungen für die 2. Alternative („[…] begründet werden soll […]“) nicht vor. Voraussetzung des Vorkaufrechts sei zwar nicht zwingend ein bereits vorhandenes Wohnungseigentum, jedoch müsse seine Entstehung bereits sachenrechtlich angelegt sein. Deshalb müsse gewährleistet sein, dass der Mieter einen Anspruch auf die Begründung des Wohnungseigentums erwirbt. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn der Verkäufer in dem Kaufvertrag eine Verpflichtung zur Aufteilung übernommen habe. Im Zweifel müsse die Auslegung des Kaufvertrages ergeben, dass durch den Verkäufer die vollendete Aufteilung des Gebäudes geschuldet ist. Vorliegend hatten jedoch erst die Erwerber eine Teilung des Gebäudes vollzogen.
Weitere Voraussetzung sei, dass das zukünftige Wohnungseigentum vertraglich hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. Dies würde sich daraus ergeben, dass Vertragsgegenstand des Vorkaufsvertrages zwischen dem Veräußerer und dem Mieter ein bestimmbares Wohnungseigentum sein muss. Auch hierfür sei es nicht ausreichend, wenn die Aufteilung erst durch den oder die Erwerber durchgeführt werden soll.
Vorliegend habe die Klägerin als Mieterin gegenüber den Erwerbern keinen Rechtsanspruch auf die Durchführung der Aufteilung erworben. Da die Teilungsvereinbarung erst nach dem Verkauf beurkundet wurde, bestünde bei Abschluss des Kaufvertrages – in welchen der Vorkaufsberechtigte durch Ausübung seines Vorkaufrechts eintritt – maximal eine noch unverbindliche Umwandlungsabsicht. Enthalte nicht bereits der Kaufvertrag eine konkrete Aufteilungspflicht des Verkäufers, komme der Mieter im Ergebnis nicht in den Genuss des Vorkaufsrechts, weil es an der erforderlichen Begründung von Wohnungseigentum vor der Veräußerung mangele.
Anmerkung
Das Vorkaufsrecht setzt eine bestimmte zeitliche Reihenfolge voraus, und zwar in der Regel, dass
- ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen und die Wohnung dem Mieter überlassen worden ist,
- nach Überlassung Wohnungseigentum an der Wohnung begründet worden ist oder werden soll und
- die Wohnung an einen Dritten verkauft wird.
Umstritten war bislang, wann die erforderliche Absicht zur Begründung von Wohnungseigentum hinreichend manifestiert ist. Hier hat der BGH noch einmal bestätigend darauf abgestellt, dass es in der Regel auf eine Umwandlungsverpflichtung des Verkäufers im Kaufvertrag ankommt. Umstritten war ferner, wann das Vorkaufsrecht bei sogenannten „Erwerbermodellen“, bei denen ein Mietshaus mit mehreren Wohnungen an eine Mehrheit von Erwerbern verkauft wird, die erst nach dem Erwerb Wohnungseigentum begründen wollen, um die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen, entstehen würde. Hier stellt der BGH neben der Teilungsverpflichtung des Veräußerers auf die Bestimmbarkeit des zukünftigen Wohnungseigentums ab. Auch dies sei nicht gegeben, wenn erst die Erwerber die Teilung vollziehen, mithin festlegen, wie räumlich umgrenzt sich die einzelnen Wohneinheiten des Objekts zusammensetzen.
Praxishinweis
Für Mieter in Berlin, insbesondere in den Bezirken Prenzlauer Berg und Pankow sowie Weißensee oder Friedrichshain, kann diese Entscheidung des BGH von Wichtigkeit sein, sollte ihr Vermieter und Eigentümer beabsichtigen, das Objekt zu veräußern. Für die Frage der Ausübung eines Vorkaufsrechts wird es wesentlich darauf ankommen, den Zeitpunkt einer möglichen Umwandlung oder einer Umwandlungsverpflichtung festzustellen. Ferner ergeben sich aus diesem Sachverhalt mögliche Folgefragen, wie ein Bestandsschutz für Eigenbedarfskündigungen.