Vorkaufsrecht des Vermieters vereitelt: Schadensersatz droht

    • Mietrecht
    • Wohnungseigentumsrecht

BGH, Urteil vom 21.01.2015, Az. VIII ZR 51/14

Sieht der Vermieter pflichtwidrig davon ab, den vorkaufsberechtigten Mieter über den Inhalt des mit einem Dritten über die Mietwohnung abgeschlossenen Kaufvertrages sowie über das bestehende Vorkaufsrecht zu unterrichten, so kann der Mieter, der infolgedessen von diesen Umständen erst nach Erfüllung des Kaufvertrages zwischen Vermieter und einem Dritten Kenntnis erlangt hat, Ersatz der Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis (abzüglich im Falle des Erwerbs der Wohnung angefallener Kosten) verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht nach Kenntniserlangung nicht ausgeübt hat.

Sachverhalt

Der Vermieter war Eigentümer eines aus sieben vermieteten Wohnungen bestehenden Gebäudes. Das Gebäude wurde in Wohnungseigentum aufgeteilt und die sieben Wohnungen an einen Dritten veräußert. Der Kaufpreis je Wohnung betrug ca. 186.000,00 EUR. Der Erwerber wurde im Juli 2011 in das Grundbuch eingetragen. Die Mieterin wurde weder über den Verkauf informiert noch wurde sie auf ein möglicherweise bestehendes Vorkaufsrecht hingewiesen. Der Erwerber veräußerte die Wohnungen dann zu einem Preis von jeweils ca. 266.000,00 EUR weiter. Auch die Mieterin erhielt hinsichtlich ihrer Wohnung ein entsprechendes Kaufangebot. Die Mieterin lehnte dieses Angebot jedoch ab. Stattdessen nimmt sie die (ursprüngliche) Vermieterin auf Schadensersatz in Höhe von knapp 80.000,00 EUR (266.000,00 EUR – 186.000,00 EUR) in Anspruch.

Hintergrund

Nach § 577 BGB besteht ein Vorkaufsrecht des Mieters, wenn nach der Überlassung an ihn an der Wohnung Wohnungseigentum begründet wird und die Wohnung dann an einen Dritten verkauft werden soll.

Der Vermieter ist verpflichtet, dem Mieter den Inhalt des mit dem Erwerber geschlossenen Vertrages unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilung ist mit einer Unterrichtung des Mieters über sein Vorkaufsrecht zu verbinden.

Entscheidung

Der BGH bejaht einen Schadensersatzanspruch. Die (vormalige) Vermieterin habe zum einen gegen ihre Verpflichtung verstoßen, der Mieterin den Inhalt des mit dem Erwerber geschlossenen Kaufvertrages unverzüglich mitzuteilen. Zum anderen habe sie pflichtwidrig gehandelt, da sie die Mieterin nicht über das Bestehen eines Vorkaufsrechts unterrichtet habe. Beides begründe die Verletzung einer mietvertraglichen Nebenpflicht.

Der zu ersetzende Schaden erfasse die Differenz zwischen dem Verkehrswert der von der Mieterin bewohnten Wohnung und dem hierfür vereinbarten anteiligen Kaufpreis. Ob der BGH hiermit den Verkehrswert „im bewohnten“ Zustand meint, oder nur die betroffene Wohnung sprachlich konkretisiert („…Verkehrswert der von ihr bewohnten Wohnung“) wird nicht hinreichend deutlich.

Der zur Entscheidung stehende Fall hatte die Besonderheit, dass die Mieterin das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt hatte, nachdem sie vom Verkauf Kenntnis erlangte. Das Landgericht hatte in der Vorinstanz aufgrund dieser Tatsache einen Schadenersatzanspruch noch verneint.

Dies sah der BGH anders.

Infolge der unterbliebenen Unterrichtung hätte die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Mieterin nur noch bewirken können, dass sie einen Kaufvertrag mit der beklagten Vorvermieterin begründet. Dessen Erfüllung wäre der Beklagten von vornherein unmöglich gewesen, da bereits ein vollzogener Vertrag mit dem Neueigentümer bestand. Da die Ausübung des Vorkaufsrechts die Mieterin somit nicht in die Lage versetzt hätte, ihr Erfüllungsinteresse durchzusetzen, sei die Ausübung des Vorkaufsrechts als sinnloser Zwischenschritt zu werten. Ein Schadenersatzanspruch bestand folglich trotz nicht ausgeübtem Vorkaufsrecht.

Praxishinweis

Bereits 2005 hatte der BGH klargestellt (BGH, VIII ZR 271/04), dass dem Mieter bei Vereitlung seines Vorkaufsrechts ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Objekts und dem Verkaufspreis zusteht. In der dortigen Entscheidung kam es jedoch zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Mieter.

Nunmehr stellt der BGH klar, dass es auf die Ausübung nicht zwingend ankommt, wenn der Vermieter bei Ausübung den Vertrag per se nicht mehr erfüllen kann (Grundbucheintragung vollzogen).

Zu den in der Rechtsprechung und Literatur noch umstrittenen Fragen, ob sich der Verkehrswert am vermieteten Zustand der Wohnung oder an einem unvermieteten Zustand zu orientieren hat, nimmt der BGH nicht konkret Stellung.

Aufgrund des erheblichen Schadenersatzrisikos ist vor Veräußerung von vermietetem Wohnungseigentum grundsätzlich zu prüfen, ob dem Mieter ein Vorkaufsrecht zusteht.

Niklas Stolze
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsgebiet
Mietrecht
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Wohnungseigentumsrecht