Nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründete Wohngeldschulden sind (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben, wenn ihm das Halten der Wohnung als Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann.
Sachverhalt
Die Beklagten sind Erben der bereits 1999 verstorbenen Erblasserin. Die Beklagten wurden im Jahr 2008 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Anwälte der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen von den Erben Zahlung von Hausgeldrückständen aus den Jahresabrechnungen für die Jahre 2009 und 2010. Außerdem wird das Hausgeld gemäß den Wirtschaftsplänen für die Jahre 2010 und 2011 geltend gemacht.
Die Anwälte der Beklagten, also der Erben, wenden demgegenüber ein, der Nachlass sei überschuldet und sie würden für die Hausgeldforderungen nicht persönlich haften.
Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung von insgesamt 10.731,58 EUR verurteilt. Allerdings beschränkte das Amtsgericht die Haftung der Beklagten auf den Nachlass. Auf die Berufung der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft hat das Landgericht in II. Instanz das Urteil dahingehend geändert, dass es den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung aufgehoben hat. Darüber stritten sie nun vor dem BGH.
Auch für Wohnungseigentümer bzw. deren Erben in Berlin Prenzlauer Berg sowie in Pankow oder Berlin Mitte und Friedrichshain dürfte dieses Urteil des BGH interessant sein. Das Urteil zeigt, dass die Annahme einer Erbschaft wohl überlegt sein sollte.
Hintergrund
Von zentraler Bedeutung ist in dem vorliegenden Fall der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gem. § 780 ZPO. Voraussetzung für die beschränkte Erbenhaftung ist, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit gem. § 1967 BGB in Anspruch genommen wird. Handelt es sich dagegen auch um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, kommt der Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.
Ob es sich bei Wohngeldschulden für eine im Wege der Erbfolge erworbene Eigentumswohnung, die auf die Zeit nach dem Erbfall entfallen, um Nachlassverbindlichkeiten oder (auch) um Eigenverbindlichkeiten des Erben handelt war bislang umstritten. Damit hatte sich der BGH nun zu befassen.
Die Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof hat die Sache dahingehend entschieden, dass nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss neu begründete Wohngeldschulden bei einer Verwaltung des Nachlasses durch den Erben grundsätzlich auch Eigenverbindlichkeiten des Erben sind und er seine Haftung daher nicht auf den Nachlass beschränken kann.
Es sei vor allem darauf abzustellen, ob dem Erben das Halten der Wohnung als Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zu gerechnet werden kann. Von einem Verwaltungshandeln des Erben ist laut BGH in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen. Ab diesem Zeitraum beruht es allein auf seiner als Verwaltungsmaßnahme zu qualifizierenden Entscheidung, wie er mit der Wohnung verfährt, ob er sie selbst nutzt, vermietet, verkauft oder in sonstiger Weise aus der Wohnung Nutzen zieht.
Abschließend weist der BGH noch darauf hin, dass die Haftung des Erben für Wohngeldschulden mit seinem Eigenvermögen im Falle der Eigenverwaltung des Nachlasses auch nicht unbillig sei. Das Gesetz stelle dem Erben ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung, die persönliche Haftung auszuschließen. Der Erbe könne die Erbschaft vorrangig binnen 6 Wochen ausschlagen. Diese Frist reiche aus, um die Überschuldung des Nachlasses festzustellen. Hat der Erbe die Überschuldung des Nachlasses nicht erkannt, könne er unter bestimmten Voraussetzungen außerdem die Annahme anfechten.
Anmerkungen
Oft ist die Situation für einen Verwalter nach dem Tod eines Wohnungseigentümers nicht einfach. Der Verwalter hat weiterhin gem. § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG für die Einziehung der Hausgelder zu sorgen.
Der Verwalter sollte zunächst bei Nachbarn Erkundigungen einholen, ob diese näheres über einen Todesfall bzw. in Betracht kommende Erben wissen.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft kommt aber auch als Nachlassgläubiger in Betracht. In der Regel wird daher ein berechtigtes Interesse an einer Akteneinsicht in die Nachlassakte zu bejahen sein. Über die Nachlassakte kann dann auch der Verwalter nähere Aufschlüsse über die Erbfolge erhalten.
Umgekehrt sollten sich potentielle Erben bei der Annahme einer Erbschaft zu der eine Eigentumswohnung gehört die Wirtschaftlichkeit des Haltens der Wohnung genau überlegen. Die Entscheidung des BGH macht deutlich, dass durchaus ein Risiko besteht, dass die Erben für Kosten der Wohnung auch mit ihren privaten Vermögen herangezogen werden.