Weigerung, hypothetische Fragen zu beantworten: Sachverständiger nicht befangen!

    • Baurecht
    • Architektenrecht

OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.03.2013, Az. 12 W 1/13; vorhergehend: LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 09.11.2012 , Az. 11 O 48/12; ZPO § 42; 406

  • Ein Sachverständiger, der aus seiner Sicht hypothetische Fragen nicht beantwortet, ist nicht ohne weiteres befangen.
  • Wird der Befangenheitsantrag mit dem Vorwurf begründet, der Sachverständige wolle beharrlich Fragen nicht beantworten, und wird der Sachverständige durch einen Beweisbeschluss zunächst zur Nachbesserung aufgefordert, ist ein erst nach erfolgloser Nachbesserung gestellter Ablehnungsantrag nicht verspätet.

 

Problem/Sachverhalt

Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten über statische Mängel an Dachbalken eines Einfamilienhauses eingeholt. Der Sachverständige verneint einen Mangel; der fragliche Spitzboden sei nach den Planungsunterlagen nicht als Aufenthaltsraum ausgelegt, die Statik deshalb ausreichend. Die Bauherren stellen Ergänzungsfragen mit der Maßgabe, der Sachverständige solle bei der weiteren Beantwortung unterstellen, dass der Spitzboden ein Aufenthaltsraum sei. Der Sachverständige teilt in zwei Ergänzungsgutachten mit, die Beantwortung dieser hypothetischen Frage in dem Verfahren sei nicht erforderlich, da es sich nach den Planungsunterlagen eben nicht um einen Aufenthaltsraum handele.

Die Bauherren stellen daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen, den sie mit dessen Weigerung, die Beweisfrage zu beantworten, begründen. Zudem habe er seine eigene Rechtsauffassung über die des Gerichts und der Parteien gestellt. Das klagende Bauunternehmen meint, der Antrag sei bereits nach § 406 Abs. 2 ZPO verspätet und deshalb unzulässig, denn die Bauherren hatten mitgeteilt, bereits nach dem Haupt- und dem ersten Ergänzungsgutachten Zweifel an der Unparteilichkeit gehabt zu haben. Dennoch hatten sie erst noch das dritte Gutachten abgewartet.

Entscheidung

Sowohl das Landgericht (LG) als auch das Oberlandesgericht (OLG) weisen das Ablehnungsgesuch zurück, allerdings mit unterschiedlichen Begründungen. Das LG hielt den Antrag bereits für verspätet i. S. d. § 406 Abs. 2 ZPO. Die Verspätung sei nicht ausreichend entschuldigt, da nicht glaubhaft gemacht wurde, warum der Antrag nicht schon nach dem ersten oder zweiten Gutachten gestellt werden konnte. Das OLG sieht dies anders. Erst das beharrliche Gesamtverhalten des Sachverständigen, die Fragen nicht beantworten zu wollen, stelle den Befangenheitsgrund dar. Die Bauherren waren aus deren Sicht gehalten, den Sachverständigen erst zur Nachbesserung aufzufordern. Dennoch sei der Antrag unbegründet. Der Sachverständige habe nachvollziehbar deutlich gemacht, dass er seiner Begutachtung die Planungsunterlagen und nicht die seines Erachtens hypothetische Fragestellung zugrunde gelegt hat. Damit habe er seinen eigenen Beurteilungsmaßstab offengelegt. Selbst wenn dieser unzutreffend sein sollte, begründet dies nicht die Besorgnis der Befangenheit.

Praxishinweis

Die Entscheidung verdeutlicht die hohen Anforderungen an einen erfolgreichen Befangenheitsantrag gegen Sachverständige. Lediglich falsche Prämissen des Sachverständigen begründen noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Hinsichtlich der Frage der Verspätung hätte man sich ohne weiteres auch dem LG anschließen können. Denn ergibt sich der Befangenheitsgrund aus dem Gutachten, ist der Antrag innerhalb der vom Gericht gesetzten Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 ZPO zu stellen. Es empfiehlt sich unbedingt, Befangenheitsanträge zeitnah zu stellen und nicht erst mehrere Befangenheitsgründe „zu sammeln“.

Thorsten Krull
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Rechtsgebiet
Privates Baurecht
Rechtsgebiet
Architektenrecht