Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzug

LG Berlin, Urteil vom 04.10.2013, Az. 63 S 421/12

Hat der Vermieter wegen eines Mietrückstandes von insgesamt mehr als zwei Monatsmieten fristgerecht gekündigt, kann die Berufung auf die Kündigung rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Mieter den Rückstand wenige Tage nach Zugang der Kündigung ausgleicht und sich in dem langjährig bestehenden Mietverhältnis stets vertragstreu verhalten hat.

Sachverhalt

Die Parteien sind aufgrund eines Mietverhältnisses miteinander verbunden gewesen. Dem Rechtsstreit auf Räumung vorausgegangen war ein zuvor bei dem Landgericht Berlin anhängiges Verfahren im Zusammenhang mit einer Mieterhöhung sowie Modernisierungsumlage. Im Zuge dieses Verfahrens haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass ab dem 01.05.2009 eine Modernisierungsumlage in Höhe von 40,00 EUR geschuldet ist und diese ab dem 01.05.2009 fester Bestandteil der Nettokaltmiete wird. Zudem ist festgehalten worden, dass der Beklagte auch die auf den Fahrstuhl entfallenden Betriebskosten zu tragen hat. Darüber hinaus ist vereinbart worden, dass der Beklagte einen Mietrückstand in Höhe von 564,31 EUR an den Kläger zu zahlen hat. Bei Vergleichsschluss war der Beklagte als Partei persönlich anwesend; der Vergleich ist am 12.08.2011 geschlossen worden.

Im Nachgang zu dem Vergleich kündigte der Kläger am 08.12.2011 das Mietverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich und fristgemäß, aufgrund eines Zahlungsverzuges in Höhe von 1.519,44 EUR. Noch im Dezember 2011 zahlte der Beklagte sämtliche aufgelaufenen Mietrückstände in voller Höhe an den Kläger zurück.

Der Kläger erhob nach nicht erfolgter Rückgabe der Mietsache Räumungsklage vor dem Amtsgericht Mitte. Die Klage vor dem Amtsgericht Mitte ist kostenpflichtig abgewiesen worden. Der Kläger verfolgte sodann sein Klagebegehren vor dem Landgericht Berlin im Wege der Berufung weiter.

Hintergrund

Das Gesetz gewährt dem Vermieter die Möglichkeit, eine außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen auszusprechen. Zudem gewährt das Gesetz dem Mieter jedoch die Möglichkeit, die Heilung der einmal ausgesprochenen Kündigung herbeizuführen. Hierzu ist es erforderlich, dass der Vermieter vollständig befriedigt wird. Der Mieter muss diese Befriedigung innerhalb einer gesetzlichen Schonfrist bewirken.

Neben dem Ausspruch der fristlosen Kündigung kann der Vermieter, gestützt auf das Fehlverhalten des Mieters, eine ordentliche Kündigung aussprechen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung mehrfach ausgeführt, dass eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzug immer dann möglich ist, wenn der Zahlungsrückstand den Betrag von einer Monatsmiete übersteigt und darüber hinaus der Zahlungsverzug länger als einen Monat andauert. Der Bundesgerichtshof hat zudem ausgeführt, dass die analoge Anwendung des Heilungstatbestandes auf die ordentliche Kündigung nicht möglich ist. Der Bundesgerichtshof hat jedoch die Möglichkeit offengelassen, dass auch eine ordentliche Kündigung durch vollständige Befriedigung des Vermieters unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unwirksam werden kann.

Entscheidung

Von diesen Voraussetzungen geht das Landgericht in der vorliegenden Entscheidung aus, sodass die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts Mitte ebenfalls keinen Erfolg hatte. Das Landgericht stützt seine Entscheidung auf den Umstand, dass vorliegend die Pflichtverletzung des Beklagten in einem milderen Licht gesehen werden muss. Der Beklagte hat innerhalb der gesetzlichen Schonfrist, mithin noch innerhalb desselben Monats, die vollständige Befriedigung des Vermieters, also des Klägers, herbeigeführt. Aufgrund dieses Umstandes ist das vorliegende Verschulden, mithin die Pflichtverletzung des Mieters, in einem milderen Licht zu sehen. Für den Beklagten spricht zudem, dass er sich in dem seit 1989 andauernden Mietverhältnis zu keinem Zeitpunkt etwas hat zuschulden kommen lassen. Das Festhalten an der ordentlichen Kündigung dürfte daher nach Auffassung des Landgerichts Berlin eine rechtsmissbräuchliche Ausübung darstellen und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.

Aufgrund dieser kumulativ vorliegenden Umstände hat die ausgesprochene ordentliche Kündigung das Mietverhältnis nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen beendet und der Herausgabeanspruch des Klägers ist somit nicht begründet.

Anmerkung

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist eine Folge der durch den BGH eröffneten Möglichkeit, zur Abwendung erheblicher Härtefälle auch eine ordentliche Kündigung zu Fall zu bringen. Der Bundesgerichtshof hat bei der Begründung dieser Rechtsprechung im Blick gehabt, dass es der Gesetzgeber unterlassen hat, die Erweiterung der Heilungsmöglichkeit auch auf die ordentliche Kündigung zu erstrecken. Der Bundesgerichtshof verfolgt mit der von ihm begründeten Rechtsprechung das Ziel, in absoluten Härtefällen eine Möglichkeit zu schaffen, die ordentliche Kündigung für unwirksam zu erklären. Für diesen Umstand bedient sich der Bundesgerichtshof und vorliegend das Landgericht Berlin dem Kunstgriff über § 242 BGB.

§ 242 BGB greift immer dann ein, wenn dem Gericht schlechterdings nach dem Wortlaut des Gesetzes ein einschlägiges Ergebnis ungerecht erscheint. Daher ist bei der Anwendung des § 242 BGB Sorgfalt geboten. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass ein Mieter, der erhebliche Zahlungsrückstände verursacht hat, die ihm aufgrund des im vorliegenden Fall geschlossenen Vergleiches positiv bekannt gewesen sein müssen, einen besonderen Schutz durch das Gericht benötigt. Vielmehr ist es Hauptleistungspflicht des Mieters, dafür Sorge zu tragen, dass er seine Zahlungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. Die Instanzengerichte sowie der Bundesgerichtshof verschieben im Rahmen solcher Konstellationen nunmehr das Risiko zum Vermieter, da sich eben dieser in der ungewissen Situation befindet, beurteilen zu müssen, ob vorliegend das Verhalten des Mieters in einem besonders milden Licht gesehen werden kann. Die Entscheidung des Landgerichts Berlin hat insoweit zu einer weiteren Verunsicherung geführt, insbesondere im Hinblick auf die gegensätzliche Entscheidung der 65. Kammer zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt.