Werden wegen einer größeren Umbaumaßnahme Beschlüsse über mehrere Einzelmaßnahmen gefasst, so kommt es bei der Prüfung des Bestehens eines Nachteiles im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG nicht nur auf die jeweils beschlossenen Einzelmaßnahmen, sondern auf das Gesamtvorhaben an.
Sachverhalt
Eine Teileigentumseinheit wurde zunächst zum Betrieb eines Supermarktes genutzt. Nach Beendigung des Mietvertrages mit dem Betreiber des Supermarktes kam der Eigentümer der Teileigentumseinheit zu dem Schluss, dass sich diese mit dem derzeitigen Zuschnitt nicht mehr rentabel bewirtschaften lasse. Er plante deshalb, die Teileigentumseinheit in drei kleinere Einheiten umzubauen und dort eine Kindertagesstätte, eine Postfiliale und ein Lager einzurichten. Auf einer Eigentümerversammlung wurde sodann eine Reihe von Beschlüssen gefasst, mit welchen bauliche Veränderungen genehmigt wurden, die dem Zweck der Unterteilung in drei Einheiten diente.
Ein Wohnungseigentümer erhob wegen sämtlicher gefasster Beschlüsse die Anfechtungsklage, da er sich im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG benachteiligt sah und den Beschlussanträgen nicht zugestimmt hatte. Das Amtsgericht gab der Anfechtungsklage vollumfänglich statt. Hiergegen wendete sich der Teileigentümer mit seiner Berufung zum Landgericht.
Hintergrund
Gemäß § 22 Abs. 1 BGB bedürfen Beschlüsse über bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.
§ 14 Nr. 1 WEG wiederum bestimmt, dass vom gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch gemacht werden darf, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil erwächst, der über das durch ein geordnetes Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Einen solchen Nachteil sieht die Rechtsprechung und die ganz herrschende Auffassung in der juristischen Literatur dann als bestehend an, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung vorliegt, die nicht nur einen völlig belanglosen oder bagatellartigen Charakter hat.
Gemäß § 139 BGB bewirkt die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäftes, dass das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn sich nicht durch Auslegung ergibt, dass der verbleibende Teil des Rechtsgeschäftes auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre.
Vor diesem Hintergrund war im vorliegenden Rechtsstreit fraglich, ob der Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG für jeden der gefassten Teilbeschlüsse gesondert geprüft werden musste oder ob es ausreicht, dass für einen Teil der gefassten Beschlüsse ein Nachweis festgestellt wird und sodann die übrigen Beschlüsse ebenfalls unwirksam sind.
Die Entscheidung des LG
Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Es schloss sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass eine Gesamtbetrachtung aller geschlossenen Einzelmaßnahmen vorzunehmen ist. Es stellte auf den Rechtsgedanken des § 139 BGB ab und führte zudem aus, dass durch die Gesamtbetrachtung auch vermieden werden soll, dass mehrere Einzelvorhaben, die für sich genommen unschädlich sind, in ihrem Zusammenwirken doch noch einen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG darstellen.
Anmerkungen
Das Urteil des Landgerichts ist nachvollziehbar, wenn man die Motivation der Entscheidungsbegründung betrachtet. In der Tat besteht grundsätzlich die Gefahr, dass Beschlüsse derart getrennt werden, dass sie für sich genommen möglicherweise keinen ausreichenden Nachteil bedingen. Es stellt sich nur die Frage, wie im jeweiligen Fall ermittelt werden soll, welcher Einzelbeschluss zu einem „größeren Gesamtvorhaben“ gehört und welcher Einzelbeschluss nicht. Im vorliegenden Fall konnte sich das Landgericht damit behelfen, dass sämtliche Einzelbeschlüsse unter einem Tagesordnungspunkt beschlossen worden sind. Denkbar sind jedoch auch solche Fälle, in denen mehrere Beschlüsse unter verschiedenen Tagesordnungspunkten auf verschiedenen Versammlungen gefasst werden. Darüber hinaus steht dieser Ansatz durchaus in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der Rechtsprechung, wonach Beschlüsse auch nur teilweise angefochten werden können bzw. sogar müssen.