Zweckentfremdungsverbot für Berlin kommt

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Abgeordnetenhaus hat Gesetzesentwurf des Senates zugestimmt

Von der Öffentlichkeit im Wesentlichen noch weitgehend unbemerkt, hat das Abgeordnetenhaus in seiner 39. Sitzung am 21.11.2013 in zweiter Lesung dem sogenannten Zweckentfremdungsverbot-Gesetz zugestimmt (der offizielle Titel lautet: „Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ – ZwVbG). Es wurde die Fassung der Vorlage vom 11.06.2013 (Drucksache 17/1057), aber unter Berücksichtigung eines Änderungsantrages, angenommen. Das Gesetz wird zum 01.01.2014 in Kraft treten.Vorangegangen waren monatelange wohnungspolitische Diskussionen sowohl auf Senats- als auch auf Abgeordnetenebene; das Gesetz birgt erhebliche politische und rechtliche Sprengkraft und erfährt Kritik von allen Seiten: So fühlen sich die gewerblichen Anbieter von Ferienwohnungen in ihrer Existenz bedroht, während Befürworter einer Regulierung des Wohnungsmarktes das Gesetz als nicht ausreichend kritisieren.

Worum geht es?

Ziel des Gesetzes ist, den Wohnungsmarkt in Berlin zu regulieren. Unterstellt wird eine Verknappung von Wohnraum in der Stadt, insbesondere in den unteren Preissegmenten. Nach Schätzungen der Regierungskoalition sind in Berlin bereits 15 000 Wohnungen dem Markt entzogen.

Dem soll dadurch entgegengewirkt werden, dass die verstärkte Tendenz der Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum und Ferienwohnungen an bestimmte Anforderungen geknüpft und insgesamt begrenzt wird. Es soll vermieden werden, dass Wohnraum, der als Ferienwohnung genutzt wird, für eine dauerhafte Vermietung verloren geht. Die in Berlin regierende Koalition aus SPD und CDU hat die Verabschiedung dieses Gesetzes im Koalitionsvertrag vereinbart.

Die wichtigsten Regelungen im Überblick:

Künftig darf Wohnraum in Berlin nur noch mit Genehmigung des zuständigen Bezirksamtes zweckentfremdet werden. Unter Zweckentfremdung werden im Sinne des Gesetzes

  • die wiederholte Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung oder Fremdenbeherbergung,
  • die Verwendung von Wohnraum für gewerbliche oder berufliche Zwecke,
  • bauliche Veränderungen von Wohnraum, sodass dieser für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,
  • mehr als sechsmonatiger Leerstand und
  • Abriss von Wohnraum


verstanden.

Das Verbot einer Zweckentfremdung selbst setzt allerdings voraus, dass auf der Grundlage des nun aktuell beschlossenen Gesetzes noch eine Rechtsverordnung erlassen wird, deren Verabschiedung allerdings nur eine Frage der Zeit sein dürfte. Es kann nach den bisher verlauteten Informationen damit gerechnet werden, dass eine solche Verbotsverordnung, die letztlich die Regelungen des Gesetzes in der Praxis umsetzt, zum Frühjahr, spätestens Sommer 2014, in Kraft treten wird.

Das Gesetz regelt zugleich ausdrücklich, wann es keine Anwendung findet, also keine Zweckentfremdung im Sinne der Vorschrift vorliegt:

  • Für bereits bestehende Zweckentfremdungen im Sinne der vorbenannten Regelungen gibt es eine „Schonfrist“ von zwei Jahren nach Inkrafttreten der (noch ausstehenden) Verordnung. Das Gesetz hat also Rückwirkung, gewährt den Betreibern von Ferienwohnungen letztlich aber für die Dauer von zwei Jahren die Möglichkeit, sich auf das Zweckentfremdungsverbot einzurichten und innerhalb dieses Zeitraumes für eine Umwandlung wieder in eine „normale“ Wohnraumnutzung zu sorgen.
     
  • Zudem soll das Verbot nicht für gewerbliche Mietverträge für Wohnräume gelten, die bereits vor Inkrafttreten des Verbotes bestanden haben. Diese Verträge sind bis zum Auslaufen des jeweiligen Vertrages, also für die Dauer der vereinbarten Mietzeit, geschützt.
     
  • Ist Leerstand auf eine Unvermietbarkeit des Wohnraumes zurückzuführen oder bei Leerstand von bis zu 12 Monaten infolge einer Sanierung/Modernisierung liegt jeweils keine Zweckentfremdung vor.

Welche Ausnahmen gibt es?

Das Gesetz sieht auch Ausnahmeregelungen für „Härtefälle“ und besondere Situationen vor:

So kann die Zweckentfremdung – auf schriftlichen Antrag hin – genehmigt werden, wenn öffentliche oder auch private Interessen daran überwiegen.
 

  • Dies soll der Fall sein, wenn durch die Zweckentfremdung Raum beispielsweise für soziale Einrichtungen, Bildungs- bzw. Betreuungsbetriebe und Ähnliches geschaffen wird.
     
  • Schutzwürdige private Interessen sollen vorliegen, wenn durch das Zweckentfremdungsverbot die wirtschaftliche Existenz gefährdet ist oder der fragliche Wohnraum nicht mehr erhaltungswürdig erscheint.

Welche Sanktionen drohen? Welche Eingriffsrechte bestehen?

Sollte Wohnraum ohne die erforderliche Genehmigung zweckentfremdet werden, kann das zuständige Bezirksamt die Rückführung verlangen und – unter Umständen auch im Wege des sogenannten Verwaltungszwanges – durchsetzen, die fraglichen Wohnungen also letztlich erforderlichenfalls sogar räumen lassen.

Ist der Wohnraum baulich verändert worden, kann verlangt werden, dass der ursprüngliche Zustand – auf Kosten des Eigentümers – wiederhergestellt wird.

Zudem sind die Verfügungsberechtigten des jeweiligen Wohnraumes, aber ausdrücklich auch die Nutzungsberechtigten sowie sonstigen Bewohner/-innen des Wohnraumes, verpflichtet, der zuständigen Behörde alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

Betroffen hiervon sind also nicht nur die Eigentümer, sondern auch die jeweiligen Mie-ter/Nutzer des betroffenen Wohnraumes. Die Behörde hat sogar Zutrittsrechte zu dem betroffenen Wohnraum, um alle nach dem Gesetz erforderlichen Erhebungen zu tätigen.

Ordnungswidrig handelt, wer

  • ohne die erforderliche Genehmigung Wohnraum zweckentfremdet,
  • einer mit einer Genehmigung verbundenen Auflage nicht nachkommt,
  • einer unanfechtbaren Anordnung auf Rückführung/Räumung/
  • Wiederherstellung von Wohnraum nicht nachkommt,

  • Auskünfte nicht gibt/Unterlagen nicht vorlegt oder
  • die erforderliche Anzeige unterlässt.


Eine Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 50.000,00 EUR geahndet werden.

Welche Probleme wirft das Gesetz auf?

Bereits die vorangegangenen intensiven Diskussionen in Politik und bei den betroffenen Eigentümern, die sich im Übrigen bereits in zahlreichen Interessenverbänden organisiert haben, haben schon im Vorfeld zahlreiche Probleme bei der praktischen Anwendung des Gesetzes aufgezeigt. Diese sind im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens auch in der nunmehr beschlossenen Fassung nicht ausgeräumt worden.

Sollte das Gesetz tatsächlich konsequent angewendet werden, bedeutet dies möglicherweise für die zahlreichen gewerblichen Betreiber von Ferienwohnungen in Berlin das wirtschaftliche Aus. Damit zusammenhängend, besteht auch die Gefahr, dass zahlreiche Arbeitsplätze vernichtet werden.

Ob in diesem Fall die Ausnahmeregelung des Gesetzes greift und in der Praxis tatsächlich auch angewendet wird, ist zumindest noch unklar. Fraglich ist schon, wie das Kriterium der wirtschaftlichen Existenzgefährdung nachgewiesen werden muss – es besteht diesbezüglich ja keine Anwendungserfahrung:

  • Genügt eine BWA des Steuerberaters?
  • Müssen Finanzierungs-/Bankunterlagen, wie Kreditverträge, Sicherheiten und Kontoauszüge etc., vorgelegt werden?
  • Wer prüft diese Unterlagen beim Bezirksamt?
  • Müssen Betreiber von Ferienwohnungen auf ein anderes Geschäftsmodell –Langzeitvermietung von Wohnraum - verwiesen werden?


Hinzu kommt, dass die Bezirksämter, die letztlich für die Anwendung und Umsetzung des Gesetzes und der noch zu verabschiedenden Verordnung verantwortlich sind, schlicht nicht die Kapazität haben, um die Umsetzung zu gewährleisten und die zu erwartenden anstehenden Genehmigungs- und Befreiungsanträge zeitnah zu bearbeiten.

Denn: Das Gesetz sieht in § 3 auch vor, dass über den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung das zuständige Bezirksamt innerhalb von maximal 14 Wochen zu entscheiden hat. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Genehmigung als erteilt!

Gerade diese Frist setzt die Bezirksämter unter erheblichen Druck. Es spricht vieles dafür, dass die personell unterbesetzten Ämter nicht in der Lage sind, Genehmigungsanträge zu bearbeiten, zumal zahlreiche Daten zu erheben wären und beispielsweise auch Befreiungstatbestände – einschließlich der drohenden Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz - geprüft werden müssten.

Und: Wie wird die Ursache von Leerstand nachgewiesen und von der Behörde überprüft?

Welche Anforderungen sind an den Nachweis von Unvermietbarkeit oder der fehlenden Erhaltungswürdigkeit eines zum Abriss vorgesehenen Gebäudes zu stellen?

Möglicherweise wird dies durch die noch ausstehende Verordnung geregelt werden; deren genauer Inhalt wird also mit Spannung erwartet.

Auch in juristischer Hinsicht unterliegt das Gesetz zahlreichen Bedenken:

So ist schon fraglich, ob und wann der Anwendungsbereich tatsächlich eröffnet ist. Vorausgesetzt wird nach dem Gesetzeswortlaut, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet sein muss.

An keiner Stelle des Gesetzes ist geregelt, wann genau diese besondere Gefahr eingetreten ist, wie dies überprüft wird und nach welchen Bewertungsmaßstäben. Unklar ist auch, was die Formulierung „Wohnraum zu angemessenen Bedingungen“ bedeuten soll. Sind hier Mietpreisspiegel ausschlaggebend oder sonstige Ausstattungsmerkmale des Wohnraumes gemeint?

Unklar ist in rechtlicher Hinsicht ohnehin noch die Handhabung der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes. Demnach soll eine Zweckentfremdung nicht vorliegen, wenn der Wohnraum bereits für gewerbliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Möglicherweise fallen hierunter auch Konstellationen, in denen der Betreiber von gewerblichen Ferienwohnungseinrichtungen seinerseits die Räumlichkeiten nur von dem eigentlichen Eigentümer gemietet und hierzu einen Gewerbemietvertrag abgeschlossen hat.

Nach Auffassung einiger parteipolitischer Sprecher sollen lediglich berufliche Tätigkeiten, wie Arztpraxen und Kanzleien etc., geschützt sein. Dies gibt der reine Wortlaut allerdings ebenso wenig her wie die Gesetzesbegründung.

Zudem ist fraglich, ob die umfangreichen Auskunfts-/Erhebungsrechte nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen.

Schließlich dürfte das Gesetz ohne ausreichende Rechtfertigung in mehrere Grundrechte der Eigentümer und Vermieter von Ferienwohnungen eingreifen. Betroffen sind die allgemeine Handlungsfreiheit, die Berufsfreiheit und selbstverständlich auch die Eigentumsfreiheit sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 2, 12, 13, 14 GG). Es spricht bereits in rechtlicher Hinsicht einiges dafür, dass das Gesetz die hohen Anforderungen an eine Grundrechtsbeeinträchtigung nicht erfüllt und inhaltlich hierfür auch viel zu unbestimmt ist.

Fazit/Empfehlung:

Die Frage, ob das Gesetz von der politischen Zielrichtung geglückt ist und zur Verbesserung der Wohnungsmarktsituation überhaupt beitragen kann, mag an anderer Stelle geklärt werden.

Ungeachtet dieser Frage, stehen betroffene Vermieter von Ferienwohnungen vor dem Problem, wie dieser drohenden Existenzgefährdung nun entgegnet werden kann:

Nach dem Gesetzeswortlaut werden die betroffenen Eigentümer verpflichtet, entsprechende Genehmigungsanträge zu stellen und, im Falle einer Versagung, nach Ablauf der zweijährigen Schonfrist den Wohnraum wieder zurückzuführen.

Gegen etwaige Versagungsbescheide sollte ein Widerspruch eingelegt und notfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden.

Sollte das Bezirksamt von sich aus beispielsweise eine Untersagung gegen eine ungenehmigte Nutzung verfügen, gilt Entsprechendes.

Die Einlegung von Rechtsmitteln ist schon deshalb zu empfehlen, um etwaige Bescheide nicht rechtskräftig und damit vollstreckungsfähig werden zu lassen.

Sollte sogar die sofortige Vollziehbarkeit einer behördlichen Verfügung angeordnet worden sein, könnte dagegen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein Antrag beim Verwaltungsgericht eingereicht werden.

Denkbar ist natürlich auch, auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu setzen, also schlicht darauf, dass die Bezirksämter bei der Bearbeitung der Genehmigungsanträge schlicht überfordert sind und es nicht schaffen, einen Versagungsbescheid innerhalb der Maximalfrist von 14 Wochen zu erstellen.

Angesichts der Unklarheit, wie mit bestehenden Gewerbemietverträgen umzugehen ist, könnte es sich anbieten, vor Inkrafttreten des Gesetzes solche Verträge intern noch abzuschließen oder die Laufzeit der Verträge zu verlängern bzw. entsprechende Optionen zu ziehen.

Im Ergebnis bleiben durch das Gesetz mehr Fragen offen als beantwortet werden. Erst recht ist mehr als fraglich, ob die gewünschte Wirkung auf dem Wohnungsmarkt erzielt wird und nicht andere Maßnahmen, wie beispielsweise die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Errichtung neuen und bezahlbaren Wohnraumes, ein probateres Mittel gewesen wären.

Thorsten Krull
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Rechtsgebiet
Privates Baurecht
Rechtsgebiet
Architektenrecht